Das Spital ist quasi ein Mikrokosmos
Andrea Heim-Jocham, Leiterin Marketing und Zuweisungsmanagement des Kantonsspitals Winterthur (KSW) erklärt, wie wichtig Kooperationen für das Spital sind, warum der neue Beruf Clinical Nurse geschaffen wurde und weshalb sie „Socialising Events“ organisiert.
Hatten Sie als Kind einen Traumberuf?
Ja, ich wollte Lehrerin werden, an der Tafel stehen und erklären. Als Kind erhielt ich zu Weihnachten eine grosse Schiefertafel geschenkt – da war es um mich geschehen.
Heute sind Sie Leiterin Marketing und Zuweisungsmanagement des KSW. Warum denken Sie, sind Sie erfolgreich in Ihrer Funktion?
Aufgrund meiner breiten Ausbildung fällt es mir leicht, vernetzt zu denken. Ich besitze ein medizinisches Grundverständnis sowie grosse Erfahrung in Werbung und Marketing. So spinne ich gezielt die Fäden im Haus zusammen.
Wie wichtig sind solche Vernetzungen für das Spital?
Kooperationen sind zentral für uns. Nicht nur intern. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Spitälern schöpfen wir Potenziale aus. Wir riefen beispielsweise gemeinsam mit den Regionen Bülach, Schaffhausen, Uster und Wetzikon das Kompetenzzentrum für Brustgesundheit ins Leben. Brustkrebspatientinnen profitieren nun von einer einheitlichen Therapie und einer Qualitätssteigerung.
Pflegen Sie Ihr Netzwerk auch über soziale Medien?
Ja. Xing und LinkedIn besuche ich praktisch täglich, Pinterest regelmässig. Facebook oder Instagram nutze ich weniger, da ich bei diesen Netzwerken keinen Gewinn für das Business sehe. Da fehlt mir schlicht die Zeit.
Mit wem kommunizieren Sie besonders?
Niedergelassene Ärzte / Hausärzte spielten als Zielgruppe lange Zeit eine untergeordnete Rolle – heute realisieren wir deren hohe Relevanz. Wir etablierten eigens für diese Zielgruppe Plattformen zum Informationsaustausch. Neben online Massnahmen geht es aber auch um persönliche Kontakte. Zum Beispiel veranstalten wir „Socialising-Events“, die primär dazu dienen, sich auszutauschen und Spass zu haben.
Welches ist die grösste Herausforderung für Sie als Führungskraft im KSW?
Das Spital ist quasi ein Mikrokosmos: vom Reinigungsteam über den Buchhalter bis zum spezialisierten Professor im Operationssaal läuft man hier den unterschiedlichsten Menschen über den Weg. Im Marketing pflegen wir Kontakte zu verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen – allen Bedürfnissen gerecht zu werden, sehe ich in meiner Funktion als grosse Herausforderung.
Das KSW weist laut einer Umfrage eine sehr hohe Mitarbeiterzufriedenheit auf. Was schätzen Sie besonders an Ihrem Arbeitgeber?
Man spürt eine hohe Wertschätzung – auf allen Ebenen. Ausserdem zählt, was man leistet. Ganz nach dem Motto: „liefern statt lafern“. Das gefällt mir.
Ist das KSW offen für die individuellen Bedürfnisse verschiedener Generationen?
Das müssen wir sogar. Zum einen herrscht in unserer Branche starker Personalmangel, vor allem bei Pflegern und Ärzten. Zum anderen gibt es immer mehr Ärztinnen – da sind flexible Arbeitszeitmodelle gefragt, welche Beruf und Familie berücksichtigen. Wir lancierten sogar eine neue Berufsgruppe: Clinical Nurse. Eine Zwischenposition, die vor allem den Assistenzarzt entlastet und den Pflegeberuf aufwertet
Das KSW gehört zu den 10 grössten Spitälern der Schweiz. Wie wichtig ist der Standort Winterthur für den Erfolg?
Als 6. grösste Stadt der Schweiz besitzen wir ein grosses Einzugsgebiet. Zudem sind wir, wie das Abstimmungsresultat vom Mai 2017 zeigt, regional stark verankert. Das Stimmvolk lehnte eine Privatisierung des KSW ab, weil es keinen Grund für Veränderungen sieht.
Welche Entwicklung der letzten Jahre prägte die Schweizer Spitallandschaft nachhaltig?
Eine wichtige Veränderung brachte 2012 die Einführung des SwissDRG-Systems (einheitliches, an Diagnosen geknüpftes Fallpauschalen-System). Es entstanden Spitallisten zu den Kriterien Qualität und Effizienz. Die kantonalen Grenzen sind gefallen und Spitäler wurden viel stärker in den Wettbewerb geschickt.
Worin sehen Sie den Vorteil dieser Entwicklung?
Die Einführung von Mindestfallzahlen bringt aus meiner Sicht Qualitätsvorteile mit sich, da spezialisierte Eingriffe stärker gebündelt werden. Wer langfristig überleben will, muss Schwerpunkte setzen.
Schauen wir zum Schluss mit einem Fernrohr auf diese Entwicklungen: Wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Spitalwesens?
Es wird weniger Spitäler mit einer höheren Spezialisierung geben. Wenn wir die Alterspyramide betrachten, liegt es auf der Hand, dass Bereiche wie z.B. die Geriatrie weiter ausgebaut werden müssen. Der administrative Aufwand und der Papierkrieg, wie man so schön sagt, werden weiter zunehmen. Dies stellt eine Herausforderung für das Ressourcen-Management jedes Arztes dar.