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Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Das Worst Case Szenario wird wahrscheinlich

Harald Schatzl, CEO der Mediwar AG und Boardmember der Swiss Medtech, spricht gerne Klartext und will mit dem Leitbild der Mediwar AG nicht das Gleiche sagen wie die meisten anderen. Für die neue EU-Verordnung über Medizinprodukte MDR (Medical Device Regulation) zeichnet er ein düsteres Bild.

Hatten Sie als Kind einen Traumberuf?

Ich wollte mit Pinsel und Schaufel als Historiker an alten Grabstätten graben.

Als CEO der Mediwar AG benutzen Sie heute andere „Werkzeuge“. Welches Führungsprinzip scheint Ihnen in Ihrer Funktion am zentralsten?

In einem kleinen Unternehmen mit rund 30 Angestellten muss man sich aufeinander verlassen können. Ich lege deshalb grossen Wert auf Vertrauen.

Welchen Karriereschritt würden Sie aus heutiger Perspektive als am wirkungsvollsten bezeichnen?

Nach der Fusion war ich jüngstes Direktionsmitglied der UBS und entschied mich nach vielen Jahren, etwas Neues zu wagen. So kam es schliesslich zum Schritt in die Teilselbstständigkeit. Ich beteiligte mich am Unternehmen Mediwar AG mit 50 %.

Einen weiteren Schritt machten Sie ins Board der Swiss Medtech. Wie halten Sie die Balance zwischen Ihren verantwortungsvollen, beruflichen Rollen und Ihrem privaten Leben?

Es ist ein Spagat und bedarf einer sauberen Planung. Die Kunst liegt darin, sich situativ für das Richtige zu entscheiden. Vor Jahren entschied ich mich beispielsweise, jeweils einen frühen Abend in der Woche nur für meine Kinder da zu sein.

Wunderbar. Das klingt nach einer reibungslosen Aufteilung.

Es wäre gelogen zu behaupten, die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatleben hätte nie zu Diskussionen geführt. Mein privates Umfeld bringt mir viel Verständnis entgegen und akzeptiert meine beruflichen Tätigkeiten. Es gehört einfach zu mir und zu meinem Leben.

Danke für diesen realistischen Einblick. Auch das Leitbild auf der Mediwar AG Website versucht nicht zu beschönigen, sondern erstaunt durch seine ausserordentlich ehrlichen Aussagen.

Papier ist geduldig und nimmt viel an. Wir wollten nicht das Gleiche sagen wie die meisten anderen. So entwickelten und verfassten wir unser Leitbild selbst. Beschönigungen erschweren nur die Umsetzung. Unser Ziel war es, ehrliche Aussagen zu machen wie beispielsweise, dass auch wir nicht fehlerfrei sind und trotzdem täglich zu versuchen, für unsere Kunden das Bestmögliche zu erreichen.

Spiegelt sich diese realitätsnahe Haltung in Ihrer Firmenkultur wider?

Auf jeden Fall. Fehler unterstützen uns dabei, Prozesse zu überdenken und zu optimieren. Sie sind jedoch nicht gratis und sollten deshalb nicht wiederholt werden. In unserer Kultur zählt vor allem miteinander statt gegeneinander zu arbeiten und miteinander statt übereinander zu reden.

Ist NEW WORK auch bei Ihnen spürbar?

Ja, denn die junge Generation fordert moderne Arbeitsbedingungen. Bei uns teilen sich beispielsweise zwei junge Teilzeit-Mütter eine Stelle. Das funktioniert sehr gut.

Aus Perspektive Board Member Swissmedtech: Am 26. Mai 2020 ist Geltungsbeginn der neuen EU-Verordnung über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR). Wer ist davon am stärksten betroffen?

Die Medical Device Regulation ist für alle Betroffenen zwingend und verpflichtend. Insbesondere sind jedoch Schweizer Hersteller, die in die EU exportieren, massiv gefordert.

Weshalb?

Jedes medizinaltechnische Produkt der Schweiz besitzt eine CE-Markierung. Sozusagen ein europäisches Qualitätssiegel. Da die Schweiz kein EU-Land ist, wird die gegenseitige Anerkennung bislang in den bilateralen Verträgen geregelt. Ab 26. Mai 2020 wird das jedoch nicht mehr der Fall sein. Mit der neuen MDR hätten wir nur noch eine unilaterale Anerkennung der Konformität.

Ändert sich somit der Stellenwert der Schweiz bzw. der Schweizer Medizinprodukte aus Sicht der EU?

Ja, wir würden beispielsweise wie China oder Russland als Drittstaat angesehen.

Was bedeutet das konkret für den Schweizer Hersteller, der in die EU exportieren möchte?

Er muss damit rechnen, dass ab 26. Mai 2020 seine Produkte am Zoll zurückgewiesen werden oder die EU das Produkt nicht mehr akzeptiert, da es nicht nach MDR geregelt ist. Wir schätzen, dass die Neuorganisation für alle Schweizer Medtech-Unternehmen, die davon betroffen sind, zusammen rund eine Milliarde Schweizer Franken kostet. Hersteller müssten beispielsweise ihre Produkte neu kennzeichnen. Ausserdem würden viele Produkte verzögert auf den Markt kommen, denn manche Unternehmen bräuchten bis zu zwei Jahre, um das ganze Verfahren durchzuspielen.

Besteht die Chance, dass die Schweiz in letzter Minute eine politische Lösung mit der EU findet?

Theoretisch schon, aber die Zeit drängt – das Worst Case Szenario wird wahrscheinlich. Die Unternehmen stehen vor der Frage, ob sie auf Diplomatie hoffen oder sich auf das Auslaufen der Verträge vorbereiten sollen. Ich könnte mir auch eine elegante Lösung vorstellen, welche aus einer Fristverlängerung um ein paar Jahre besteht.

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