
Schweizer Führungskräfte im Gespräch
CORONA fordert uns heraus und schweisst uns zusammen
Jan Tangermann, Country Head Switzerland bei Sandoz, sichert zusammen mit seinen Mitbewerbern die Versorgung der Schweiz mit Medikamenten. Er erklärt, wie er seine Mitarbeitenden im Home-Office erfolgreich führt und was jetzt zählt.
Hatten Sie als Kind einen Traumberuf?
Mich faszinierten Mobilität und Technik. Deshalb wollte ich Automobilingenieur werden und malte fleissig Autos und lustige Schiebedachkonstruktionen.
Sie gelangten über verschiedene Stationen in die Rolle des Geschäftsführers von Sandoz Schweiz. Wie hat sich Ihre Führungskompetenz über die Jahre entwickelt?
Im Laufe der Jahre lernte ich vor allem zwei Dinge: zum einen, dass es nicht eine «richtige» Art von Führung gibt. Gute Führung erfolgt situativ im kulturellen Kontext und individuell auf den Mitarbeitenden bezogen. Zum anderen geht es darum, die Eigenverantwortung des Mitarbeitenden zu stärken, gleichzeitig jedoch das Zusammenspiel mit den anderen Mitarbeitenden zu fördern – Pluralismus und Individualismus kombiniert.
Das ist eine schwierige Vorstellung. Fast widersprüchlich.
Denken Sie einfach an ein Orchesterkonzert. Jeder Mitarbeitende spielt eigenverantwortlich ein Instrument und treibt dieses bis zur Perfektion. Das klingt schön im Solo. Richtig atemberaubend wirkt die Musik jedoch erst, wenn sämtliche Instrumente zusammenspielen.
Welcher Führungsansatz rückt aktuell während der CORONA-Krise in den Vordergrund?
Ganz klar der Purpose, unsere über allem stehende Aufgabe, die Patienten mit qualitativ hochwertigen Medikamenten zu versorgen. Egal ob Vertrieb, Logistik, Kundenservice, Marketing oder Produktion, jeder Mitarbeitende leistet seinen Beitrag, um diese Krise zu bewältigen. Das ist nicht nur ein Job, sondern eine motivierende «Berufung» und eine äusserst wichtige Aufgabe zum Schutz unserer Gesellschaft.
Die Krise stiftet also Sinn?
Davon bin ich überzeugt. Das Coronavirus öffnet vielen die Augen. Zusammen mit unseren Mitbewerbern im Generikamarkt liefern wir ein Drittel aller Tagesdosen an Arzneimitteln in der Schweiz, auf europäischer Ebene sind es rund zwei Drittel. Wenn wir nicht funktionieren, liegt das Gesundheitssystem brach. Es ist in dieser fordernden Zeit motivierender denn je, einen solch wichtigen Beitrag leisten zu können.
Die Meisten arbeiten zurzeit im Home-Office. Wie führen Sie jetzt das Team aus der Ferne?
Gerade jetzt, wo man sich nicht sieht, merke ich, dass unser gemeinsamer Auftrag der flächendeckenden Versorgung verbindet. Es schweisst uns noch mehr zusammen und die Motivation ist sehr hoch. Alle arbeiten an demselben wichtigen Ziel und bleiben dadurch in stetigem Kontakt. Zusätzlich unterstützen wir den Austausch, indem wir zahlreiche virtuelle Team-Meetings 1:1 und auch Get-togethers anbieten. Gerade in der jetzigen Situation wird klar, wie wichtig unsere Firmenkultur ist.
Die Verantwortung ist gross. Sie übertragen diese bewusst an Ihre Mitarbeitenden. Weshalb sind Sie überzeugt, dass Sie mit dieser Strategie erfolgreich sein werden?
Ich hatte das Glück, dass mir selbst sehr früh viel Verantwortung geschenkt wurde. Ich sage bewusst „geschenkt“. Es braucht nämlich eine Gabe des Vorgesetzten, Verantwortung zu übertragen. In diese Verantwortung wächst man als Mitarbeitender rein. Das führt zum eigenen Willen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Mit Eigenverantwortung begibt man sich in unbequeme Situationen – genau daran wächst man und bekommt Appetit, etwas lernen zu wollen. Man ist bestrebt, es das nächste Mal noch besser zu machen.
Wie stark wird die Firmenkultur der Sandoz Schweiz durch Novartis-CEO Vasant Narasimhan und seine «Unboss»-Philosophie mitgeprägt?
Sehr stark. Es ist quasi eine kulturelle Revolution. „Curious“, „Inspired“, „Unbossed“ sind unsere drei Kernwerte. „Unbossed“ darf man nicht falsch verstehen. Es bedeutet nicht „laissez-faire“, sondern weg von einer hierarchischen Organisationsform, hin zu einer deutlich offeneren und kollegialeren.
Was soll ein neuer Mitarbeitender der Sandoz Schweiz mitbringen, um eine erfolgreiche Karriere zu starten?
In erster Linie ganz klar Fachkompetenz. Er sollte zudem wissbegierig sein, Teamgeist besitzen und kundenorientiert handeln.
Gratulation, im Januar 2020 wurde Sandoz global wie auch in der Schweiz zum Top-Arbeitgeber zertifiziert. Die Kultur trug bestimmt massgebend dazu bei. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Wir sind geehrt, denn es ist eine sehr exklusive Auszeichnung. Wir fühlen uns bestätigt, dass unsere Bemühungen gelungen sind und arbeiten weiterhin entschlossen daran, die besten Mitarbeitenden gewinnen und behalten zu können.
Auch mit Ihren Produkten verzeichnen Sie Erfolge. Sandoz ist Weltmarkführer im Bereich Biosimilars. Was macht das Potenzial aus?
Biopharmazeutika, also biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, erschliessen hochinnovative, völlig neue Therapiemöglichkeiten. Es ist eine Revolution und Sandoz nimmt hier eine Pionierrolle ein. Die Medikamente kosten aufgrund der Forschungs- und Entwicklungsaufwände enorm viel. Mit Biosimilars bieten wir Nachahmerprodukte an. Quasi die hochqualitative, kostengünstigere Variante für die breite Masse. In der Schweiz werden anteilsmässig jedoch immer noch wenige Biosimilars verschrieben. Dies, obwohl sie ein grosses Sparpotenzial für das Schweizer Gesundheitswesen von aktuell jährlich über 100 Millionen Franken aufweisen.
Politische Diskussionen über Medikamente drehen sich meist um Kostensenkung. Was denken Sie aktuell zu diesem Thema?
Generell leisten wir mit unseren Generika einen massgebenden Beitrag zur Kostensenkung. Aber auch hier sehen wir ungenutztes Potenzial, so ist auch der Generikaanteil in der Schweiz noch relativ gering.
Wie schätzen Sie den Einfluss von Covid 19 auf die weltweite Entwicklung im Gesundheitswesen ein?
Unmittelbar denke ich, dass Gesundheitsdienstleister und -versorger wieder mehr geschätzt werden. Der Gesellschaft wird jetzt bewusst, wie unschätzbar wichtig der Einsatz von Ärzten, Apothekern und Pflegepersonal ist. Das darf sich nicht nur in respektvollen Dankesbekundungen und temporärem Applaus niederschlagen, sondern ihre Rolle muss langfristig gestärkt werden. Für die Zukunft müssen wir zudem anerkennen, dass Viruserkrankungen eine globale Pandemiegefahr darstellen.
Und wie sehen Sie die Zukunft des Generikageschäfts in der Schweiz?
Ich freue mich, Geschäftsführer in dieser Branche zu sein, denn ich schätze unsere Zukunft sehr positiv ein. Wir versorgen das Schweizer Gesundheitswesen mit hochqualitativen Medikamenten zu kostengünstigen Preisen. Zudem schaffen wir Raum für Spitzeninnovation. Dabei ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.