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Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Wenn alle sagen: „Das geht nicht“, dann denke ich: „Jetzt erst recht!“

Andrea Rytz, CEO der Schulthess Klinik sieht auch in äusserst schwierigen Krisensituationen das Glas halbvoll, hat noch immer eine Lösung gefunden und erfindet sich immer wieder neu, so auch ihren Führungsstil in Zeiten von COVID-19.

Andrea Rytz, Ihr Lebensmotto ist «Tue alles, was du tust im Leben, mit Herzblut oder lass es sein». Wie überprüfen Sie, ob Sie noch mit Herzblut an einer Aufgabe dran sind?

Wenn ich mit Begeisterung, Motivation, Bereicherung und Zufriedenheit unterwegs bin. Um eine Funktion oder eine Aufgabe mit Herzblut auszuführen, sollte keines dieser Attribute fehlen. 

Nehmen wir an, Sie starten mit Herzblut, die Situation wird zunehmend schwieriger und komplexer, sodass eine Lösung fast aussichtslos erscheint – was machen Sie in solchen Momenten?

Dann freue ich mich. Ich habe komplexe Situationen sehr gern – je schwieriger desto besser. Situationen, in denen jeder sagt „das schaffen wir nicht“, motivieren mich umso mehr. Ich denke dann nach, gehe mit dem Problem „schwanger“ und schmiede neue Strategien. So habe ich bis jetzt noch immer einen Ausweg gefunden.

Sie sind seit bald 5 Jahren CEO der Schulthess Klinik, was war Ihr grösster Erfolg bis anhin?

Mein grösster Erfolg ist mein Team, die Menschen, die um mich sind. Ich habe ein tolles, schlagfertiges und hochprofessionelles Team. Das Schönste ist, dass wir in der Tat zielgerichtet gemeinsam Lösungen finden und das Wichtigste ist: Wir können jeden Tag zusammen lachen.

Sie mögen ja nicht nur Erfolg, sondern auch Niederlagen, können Sie uns das erklären?

Erfolg zu verzeichnen ist sehr wichtig, doch es sind die Niederlagen, die uns weiterbringen. Durch Niederlagen können wir wachsen. Der Erfolg ist schnell vergessen, doch Niederlagen nagen an uns. Da müssen wir reflektieren und uns überlegen, wie wir es das nächste Mal besser machen können. Und genau da beginnt das Wachstum, um besser zu werden.

Rückblick 2020: Wie würden Sie das Jahr 2020 in einem Satz zusammenfassen?

Ein schräges Jahr: guter Start, ein harter Lock-Down, erneutes Aufholen und jetzt ganz viel Ungewissheit.

Wenn Sie an COVID-19 denken, was kommt Ihnen als CEO der Schulthess Klinik als Erstes in den Sinn?

Als CEO kommt mir natürlich sofort das 17-Millionen-Loch in unseren Büchern in den Sinn und … eine grosse Herausforderung. Als Mensch kommt mir als Erstes in den Sinn, dass man als Team jede Krise zum Guten wenden kann.

Was haben Sie gemacht, dass es gut kommt?

Gute Kommunikation intern und extern, und es hat sich gezeigt, dass, wenn man die Konkurrenz aussen vorlässt und auf Kooperation setzt, z. B. mit anderen Kliniken, unglaublich Vieles möglich ist.

Seit dem COVID-19-Lockdown haben Sie härter geführt, wie sieht diese Führung konkret aus?

Gute, aber auch schlechte News messerscharf der Mehrheit zu kommunizieren. Schnelle Entscheide waren nötig, präzise Kommunikation, jederzeit offen und ehrlich sein, aber eben auch schlechte News, d. h. Dinge, die man nicht erreicht hat, direkt, schnell und präzise zu kommunizieren. Wenn etwas nicht gut ist, ist es nicht gut. Das unverblümt zu kommunizieren, fiel mir nicht immer leicht.

Haben Sie Neues eingeführt?

Ja, wir haben neue Gefässe geschaffen, z. B. eine tägliche Direktionssitzung, das gab es vor COVID-19 nicht. Und ich habe Sätze gebraucht, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals sagen würde.

Zum Beispiel?

Den Satz: «Ich bin Chef, ich entscheide und so ist es», d. h. den partizipativen Führungsstil musste ich gewissermassen loswerden und eine Art «diktatorisch» führen. So etwas kennt man von mir eigentlich nicht.

Wie ist das angekommen?

Interessanterweise sehr gut. Die Menschen brauchen in solchen Krisensituationen enge Leitplanken, d. h. präzise Anweisungen und eine klare, direkte Kommunikation. Nur so können sie sich in einer Krise auch sicher fühlen.

Wie führen Sie als Frau die von der Männerwelt dominierte Orthopädie?

Die Herausforderungen sind nicht, wie oft angenommen, die Frau-Mann-Unterschiede, sondern die verschiedenen Vorstellungen: Ärzte haben eine ganz andere Vorstellung von Führung als eine Betriebswirtin, denn die zwei Welten, Medizin und Betriebswirtschaft, sind sehr unterschiedlich. Damit diese Welten nicht zusammenprallen und Scherben hinterlassen, ist der Aufbau von Vertrauen, gezielte Unterstützung und viel Zeit nötig.

Inwiefern hat Ihre Herkunft Ihren Führungsstil geprägt?

Ich hatte einen sehr starken Vater und eine liebevolle Mutter. Und beides braucht man in der Führung: eine strenge zielführende Komponente, die auch kontrolliert, das vermittelte mir mein Vater; und dann braucht es aber auch die warme, menschliche Komponente, die kommt von meiner Mutter. Ich bin mit dem Vertrauen, dass alles gut wird, aufgewachsen.

Stichwort Resilienz, die bringen Sie überdurchschnittlich mit. Verraten Sie uns, was Sie so resilient macht?

Ich bin ein Sonnenschein-Mensch und trage die innere Einstellung, das Glas halbvoll zu sehen statt halbleer, d. h. Dankbarkeit für das, was ist, und Machermentalität statt Opferdenken und Nörgelei. Diese Geisteshaltung gibt mir Kraft und macht mich widerstandsfähig.

Sie sind geschieden, haben keine Kinder, dafür fünf Patenkinder, könnten Sie dazu was sagen?

CEO zu sein ist eine Herkulesaufgabe und Mutter zu sein ist eine Herkulesaufgabe. Beides wirklich 100% gut zu machen, da hatte ich schon immer meine Fragezeichen. Ich habe mich bewusst für die Karriere entschieden, doch hätte es meine fünf Gottikinder nicht gegeben, die ich alle sehr gut kenne und mit denen ich viel Zeit verbracht habe, hätte ich eine eigene Familie schon vermisst.

Wo holen Sie, neben dem Salsa-Tanzen, Ihren Ausgleich?

Beim Sport. Dreimal in der Woche, früh morgens. Wenn die anderen die Sportsachen für den Abend dabeihaben, ist mein Trainingszeug bereits gebraucht. Da bin ich immer ganz stolz und freue mich.

Welchen Stellenwert hat für Sie Ruhe und Innehalten?

Sobald ich an einen Ort komme, wo es ruhig ist, schlafe ich ein. Ich bastle und lese gern und ich liebe es zu bügeln, das ist meine Art der Meditation.

Ausblick 2021: Was gilt es zu bewältigen im Bereich Hospital?

Ich glaube, es gibt eine weitere Welle und einen erneuten Lockdown oder Teil-Lockdown, d. h. es gibt neue Rahmenbedingungen, Ausfälle von Personal, Ertragsausfälle und die Resilienz der Menschen wird sinken. Es heisst nun, die Krise als solches zu überwinden und das Gute aus der Krise mitzunehmen für die Zeit nach der Krise. Ich bin überzeugt, am Ende werden wir stärker und besser sein als zuvor.

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