Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Jede Entscheidung muss gut überlegt und abgewogen werden
Sandra Copeland, Spitaldirektorin des Landesspitals Liechtenstein, spricht im Stettler CEO Talk über Entscheidungen und deren Auswirkungen, ihren Führungsstil, wie es um den Neubau des Landesspitals steht und was es mit dem Benzin in ihrem Blut auf sich hat.
Sandra Copeland, wollten Sie schon immer Spitaldirektorin werden?
Mein beruflicher Weg war so direkt nicht geplant, allerdings habe ich mich schon sehr früh für alles Medizinische interessiert. Zudem habe ich bereits in jungen Jahren erkannt, dass mir das Organisieren und die Menschenführung liegen und ich gerne Verantwortung übernehme. So scheute ich mich nicht, mich hinzustellen, Entscheidungen zu treffen und diese auch nach aussen und innen zu vertreten. Um meine Aufgaben und Rollen ausfüllen zu können, habe ich mir gezielt in diversen Bereichen das nötige Rüstzeug geholt und während meiner Karriere in zahlreichen Führungspositionen in diversen Branchen laufend dazu gelernt. Dass es einmal ein Spital werden würde, das ich leite, passt sehr gut mit meinen Interessen im Bereich der Medizin zusammen.
Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, welche Herausforderungen haben Sie am meisten geprägt?
Überwiegend sind es die schwierigen Situationen, die einen am meisten weiterbringen, nämlich solche, die das Leben von Menschen durcheinanderwirbeln. Beispielsweise die Fusion des Schweizerischen Bankvereins und der Schweizerischen Bankgesellschaft zur heutigen UBS. Da mussten unterschiedliche Teams, die Technik und die Prozesse zusammengeführt werden, die vorher in Konkurrenz zueinander funktionierten. Weiter zu erwähnen sind die „Umbauten“ von Institutionen, die nicht ganz „geradeaus“ liefen und die eine Wende erfahren mussten, um wieder auf die Erfolgsspur zu kommen. Privat haben mich sicher die organisatorischen Herausforderungen geprägt: Kinder, Partnerschaft und Karriere – nicht zu vergessen meine persönlichen Bedürfnisse – zusammen unter einen Hut zu bringen. Das braucht viel Energie, einiges an Organisationstalent und seitens Familie und Partner viel Toleranz und Mitwirkung.
Als Direktorin und Vorsitzende der Spitalleitung des Landesspitals Liechtenstein tragen Sie viel Verantwortung. Wie gehen Sie damit um?
Es ist wichtig, dass man sich in all seinem Tun der Verantwortung für die Menschen und die Güter bewusst ist, die man zur Erfüllung des Leistungsauftrags in treuem Glauben übertragen bekommen hat. Jede Entscheidung oder Aktion erzeugt eine Wirkung oder Reaktion. Dieses Prinzip muss einem bewusst sein, d.h. die Entscheidungen und die entsprechenden Auswirkungen müssen stets gut überlegt und abgewogen werden. Dazu hole ich im Vorfeld diverse Informationen von verschiedenen Seiten ein, bespreche diese Themen mit unterschiedlichen Schlüsselpersonen im Betrieb und fälle für mich eine Entscheidung, die ich wiederum mit meiner Spitalleitung abstimme. Diese Verantwortung darf aber das eigene Privatleben nicht belasten, sonst kann man seine Batterien nicht aufladen.
Was tun Sie gegen Stress?
Die Natur, tiefe Verbundenheit mit Freunden und letztlich ein intaktes Familienleben geben mir in anstrengenden und aufreibenden Situationen einen fast unerschütterlichen Halt. Meinen Gedanken bei einem schönen Waldspaziergang mit unserem Hund freien Lauf lassen zu können, das ist total entspannend und beglückend. Gute Musik hören, spontan dazu tanzen, ein schönes Essen mit Freunden kochen und über Gott und die Welt diskutieren – all das gibt mir unheimlich viel Kraft, damit ich den täglichen Herausforderungen, wenn immer möglich, mit Ruhe ins Auge blicken kann.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich führe situativ. Nicht jede oder jeder braucht dasselbe, um seine Aufgabe erfüllen zu können. Ich versuche also stets, die Situation zu erfassen und für die/den betreffende/n Mitarbeitende/n gerade die in der Situation benötigte Unterstützung zu bieten in Form von Anleitung, Gesprächsbereitschaft, einem offenen Ohr, Zur-Verfügung-Stellen von Wissen und Toolboxen und vieles mehr. Wichtig ist mir dabei aber auch, dass ich als Führungsfrau wahrgenommen werde, die bereit ist, Entscheidungen zu fällen, diese zu vertreten und dem Unternehmen eine sicht- und spürbare Linie zu geben.
Die Sprache der Betriebswirte und der Mediziner ist sehr unterschiedlich, wie erreichen Sie gegenseitiges Verständnis?
Entscheidend dabei ist, dass wir ein gemeinsames Ziel entwickeln und haben. Über dieses Ziel muss immer wieder gesprochen werden, etwa darüber, wer welchen Beitrag zur Zielerreichung leisten kann und muss. Dass man sich ernsthaft füreinander interessiert, ist dafür eine Grundvoraussetzung. Die Offenheit und Deklaration, dass man mal etwas nicht weiss, hilft dabei, aufeinander zuzugehen und Vertrauen aufzubauen und zu festigen. Wir arbeiten an der Überzeugung, dass wir als interdisziplinärer und interprofessioneller Betrieb längerfristig ohne einander nicht funktionieren können, dass wir einander also brauchen. Wir schärfen sozusagen unsere «Antennen» füreinander.
Ende 2019 hat das Volk dem Neubau des Landesspitals Liechtenstein zugestimmt. Als Sie das erfahren haben, was waren Ihre ersten Gedanken?
Wir waren ja unmittelbar bei der Auszählung der Stimmen dabei und haben jedes neue Resultat, welches aus den Gemeinden im Fürstentum Liechtenstein kam, mit Spannung und Applaus begrüsst. Es war ein äusserst emotionaler Nachmittag, und wir waren in erster Linie glücklich und dankbar, dass man uns das Vertrauen geschenkt hat und dass die Daseinsberechtigung des Spitals von einer eindeutigen Mehrheit des Volkes nicht mehr angezweifelt wurde. Wir konnten unseren Plan B definitiv durch den Schredder schicken.
Natürlich wussten wir, dass wir mit dieser Zustimmung nun auch eine grosse Verantwortung übernommen hatten und viel Arbeit auf uns warten würde. Der Energieschub von damals ist aber anhaltend und wir sind mit Elan an der Umsetzung.
Bis 2025 soll das neue Landesspital errichtet werden, nun ist COVID-19 dazwischengekommen, erwarten Sie Verzögerungen?
Wir haben uns sehr bewusst auf unseren Plan und unsere ambitiösen Ziele konzentriert und haben diese fokussiert und bislang erfolgreich angepeilt. Es waren ein paar Umwege nötig, um auch in Corona-Zeiten wichtige Meetings durchführen zu können. Aber es ist unglaublich, was plötzlich alles möglich wurde, was vorher undenkbar schien.
Verzögerungen liegen überall in der Luft, und wir antizipieren diese so gut als möglich. Zurzeit sind wir auf Kurs und wollen dies auch bleiben. Daran setzen wir alles, was in unserer Macht steht.
Welchen Mehrwert bringt dieser Neubau für Ihre Mitarbeitenden?
Wir planen und bauen ein Gebäude, welches von innen heraus entsteht. D.h., dass die Nutzerinnen und Nutzer in die Planung und später in die Umsetzung einbezogen werden. Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Planung eine Ausgewogenheit zwischen Idee und Machbarkeit herstellen muss. Im Soll zu denken, ist eine zusätzliche, aber spannende Herausforderung für alle. Das Ziel ist schlussendlich ein Spital zu bauen, welches für uns Mitarbeitende kurze Wege zur Verfügung stellt und entsprechend effiziente Prozesse ermöglicht. Insgesamt soll ein Spital entstehen, in dem sich Menschen wohlfühlen können.
Welche Menschen inspirieren Sie?
Positive und offene Menschen, die sich für andere ernsthaft interessieren und bereit sind, sich stets weiterzuentwickeln und zu lernen. Menschen, die Ziele haben und diese achtsam und mit Respekt gegenüber anderen erfolgreich umsetzen. Menschen, die sich für andere einsetzen, aber auch Menschen, die aus schwierigsten Situationen einen Weg zum Besseren gefunden haben.
Welche Freizeitaktivitäten begeistern Sie?
Ich bin gerne aktiv, dies heute auch mit etwas weniger Energieverschleiss als früher (lacht). Ich fahre leidenschaftlich gerne Ski, habe angefangen Golf zu spielen, wandere und habe vor ein paar Jahren durch eine Beziehung mein Benzin im Blut wiederentdeckt, das mir mein Vater vor vielen Jahren mit der Anschaffung von Oldtimern eingeimpft hatte. Die Teilnahme an Rallyes und Ausfahrten mit diesen alten vierrädrigen Kulturgütern macht mir viel Freude.
Zukünftig wünsche ich mir, …
… in der 2. Jahreshälfte 2025 im neuen Landesspital unsere ersten Patienten zu begrüssen und auf unseren Erfolg anstossen zu können.
… die Stabübergabe im Jahr 2028 bei voll ausgelastetem Haus und hoch zufriedenen Patienten und Angehörigen vollziehen zu können.
… bis ins hohe Alter gesund aktiv sein zu können und so mit meinem Partner einen erfüllten 3. Lebensabschnitt geniessen zu können.
… mit meinen Enkeln herumzualbern, solange es geht.