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Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Ich hatte nie Mühe, mich für etwas zu begeistern

Dr. Markus Bircher ist seit bald 2 Jahren CEO des See-Spitals. Mit seiner Strategie, einen Gesundheitscampus in Horgen aufzubauen, hat er einen komplett neuen Kurs eingeschlagen. Im Stettler CEO Talk spricht er über seinen Werdegang, seinen Führungsstil und über Menschen, die ihn inspirieren.

Markus Bircher, Sie haben Betriebs- und Produktionswissenschaften an der ETH Zürich studiert und waren fast zehn Jahre im Tiefbauamt der Stadt Zürich tätig. Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Position in einem gänzlich anderen Bereich gekommen?

Nach fast zehn Jahren bei der Stadt wollte ich mich verändern. Ich habe sehr breit gesucht und mich vor allem davon leiten lassen, was ich gerne mache und was ich kann. Das Gesundheitswesen hat mich schon immer fasziniert. Das originäre Ziel, Menschen zu helfen und die vielen Herausforderungen, die dabei zu meistern sind, erachtete ich als sehr anspruchsvoll und gleichzeitig spannend. Dass ich dann am See-Spital gelandet bin, war ehrlicherweise mehr glückliche Fügung als aktive Planung. Angefangen habe ich als Leiter Dienste, seit eineinhalb Jahren darf ich in der Rolle des CEO noch aktiver zur Gesundheitsversorgung am linken See-Ufer beitragen. Der ganzheitliche Führungsaspekt, die Zusammenarbeit mit der Politik und mit den unterschiedlichen Berufsgruppen – diese Vielfalt macht meinen Job auf mehreren Ebenen spannend.

Ohne Background in der Medizin – wie schaffen Sie es, die Sprache der medizinischen Fachkräfte zu verstehen?

Wenn ich die Fachsprache nicht verstehe, frage ich nach. Aber die Frage zielt wohl eher auf die Zusammenarbeit zwischen einem Nicht-Mediziner und der ärztlichen Belegschaft ab. Da habe ich gemerkt, dass Medizin und Ingenieurswesen gar nicht so weit auseinanderliegen. Beides lebt von Prägnanz. Beides lebt davon, ein Problem oder einen Sachverhalt präzise zu beschreiben. Und man sollte in der Lage sein, verschiedene Standpunkte einnehmen zu können. Dies ist sowohl in der Medizin als auch im Ingenieurswesen eine grundlegende Fähigkeit.

Nach vier Jahren als Geschäftsleitungsmitglied wurden Sie zum CEO des See-Spitals ernannt. Was konnten Sie seither verändern?

Unter meiner Leitung haben wir das See-Spital strategisch komplett neu ausgerichtet. Der Verkauf des Standorts Kilchberg, das Aufgleisen von Kooperationen, die Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit Zuweisenden – das sind einige Meilensteine, die wir erreichen konnten. Dazu kommen die Veränderungen in der Kultur. Das Verständnis, zu sagen: Wir sind Teil des Ganzen und nicht das monolithische Spital am linken Seeufer.

Das See-Spital hat zwei Standorte in Horgen und in Kilchberg. 2022 werden die Zelte in Kilchberg abgebrochen. Welche Ursache und Strategie stecken dahinter?

Die Ursachen sind klar: Ungünstige Entwicklung des ausschliesslich belegärztlichen Betriebes, parallel dazu die Entwicklungen im Gesundheitswesen, namentlich der Druck auf die Tarife, die hohen Ansprüche an die Digitalisierung und die knappen personellen Ressourcen in nahezu allen Bereichen. Da reicht Sanieren irgendwann nicht mehr. Irgendwann braucht es einen komplett neuen Kurs.

Und diesen Kurswechsel haben Sie angestossen?

Meine Vision war ein Gesundheitscampus in Horgen, basierend auf der Grundidee: das See-Spital als Anbieter inmitten von vielen. Diese Vision setzen wir jetzt um.

Diese Entscheidung hat auch Konsequenzen für die Belegschaft. Stellt das für Sie als CEO ein Dilemma dar?

Wenn man es nüchtern wirtschaftlich betrachtet, ist die Schliessung gerechtfertigt. Man verzichtet an einem Ort auf Arbeitsplätze, damit man am anderen Ort langfristig der grösste Arbeitgeber am linken Seeufer bleiben kann. Trotzdem ist die Schliessung für mich emotional schwierig, weil es um Menschen und um deren Existenzen geht.

Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um?

Es liegt ja in der Natur eines Dilemmas, dass man es nicht lösen kann. Wir haben uns dazu entschieden, auf der einen Seite die Zukunft des See-Spitals zu sichern, auf der anderen Seite kommen wir unseren Mitarbeitenden mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Sozialplan entgegen. Ich bin überzeugt, dass wir mit einer vorausschauenden Planung und mit dem sehr guten Sozialplan, den wir gemeinsam mit der Personalkommission erarbeitet haben, auch diese schwierige Situation meistern werden.

Der Neubau in Horgen soll die Region auf den neusten Stand der Medizin bringen. Wann darf mit der Fertigstellung gerechnet werden?

Wir sind auf Kurs, die Eröffnung findet wie geplant im Herbst 2022 statt.

Es ist auch ein Medical Center per 2024 geplant, inwiefern passt das strategisch ins Konzept?

Zur Campus-Strategie gehört die Präsenz starker Partner vor Ort. Dafür braucht es neue Räumlichkeiten.

Was zeichnet Ihren Führungsstil aus?

In meinen Augen gehen Führungsstil und Unternehmenskultur Hand in Hand. Auf unserem Campus werden wir Partnerkliniken, hauseigenes Personal sowie Belegärztinnen und -ärzte haben. Allesamt mit Partikularinteressen. Ein solcher Organismus kann nur in einer kooperativen Kultur gedeihen. Vor diesem Hintergrund muss auch mein Führungsstil partizipativ-kooperativ sein.

Funktioniert das gut?

Der von mir initiierte Wandel trägt Früchte. Daraus schliesse ich, dass meine Führung funktioniert. Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass mein Führungsstil für einige, die mit mir zusammenarbeiten, herausfordernd sein kann. Deshalb frage ich mich manchmal, ob ich daran noch die eine oder andere Stellschraube justieren muss. Für das See-Spital ist es in dieser Transformation wichtig, den Fokus nicht zu verlieren und unser Handeln konsequent auf die angestrebten Ziele auszurichten. Ein gesundes Selbstvertrauen und eine klare Vorstellung, was erreicht werden soll, sind deshalb auch Bestandteile meines Führungsstils.

Blick in die Zukunft: Wo konkret sehen Sie das See-Spital in 5 Jahren?

Wie geplant: Starke Partnerschaften auf einem regional verankerten Gesundheitscampus mit Top-Infrastruktur und Top-Mitarbeitenden.

Zum Abschluss noch zwei persönliche Fragen: Welche Menschen inspirieren Sie?

Das klingt jetzt klischeehaft, aber es stimmt: Mich beeindrucken Menschen, die kranke Menschen behandeln. Im Alltag mit Patientinnen und Patienten spielt sich auf zwischenmenschlicher Ebene extrem viel ab. Hier dem Anspruch gerecht zu werden, jede und jeden mit der gleichen Empathie und dem gleichen Pflichtbewusstsein zu behandeln, finde ich bewundernswert.

Neben der Arbeit, was begeistert Sie?

Ich hatte nie Mühe, mich für etwas zu begeistern.

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Wie gelingt erfolgreiche Führung im dynamischen Umfeld des Gesundheitswesens? Was macht Arbeitgeber in Pharma, Hospital und Medizintechnik attraktiv? Im Stettler CEO Talk kommen jeden Monat exklusiv Schweizer Führungskräfte zu Wort und bringen auf den Punkt, was sie persönlich und die Branche bewegt.

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