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Berufsbilder Pharma: Head Market Access

Balz Ryf ist Head Market Access bei der Pierre Fabre Pharma AG. Im folgenden Interview spricht er über seinen Werdegang, was man als Head Market Access mitbringen sollte und über aktuelle Trends in der Pharma-Branche.

Balz Ryf, bitte beschreiben Sie die Branche, in der Sie arbeiten. Welche Trends nehmen Sie wahr?

Die Pharma-Branche hat viele Besonderheiten und – oft nur vermeintliche – Widersprüche: Sie kann Leben retten und Krankheiten behandeln und wird doch immer wieder kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert. Sie ist reguliert, lässt aber trotzdem Spielräume. Sie ist stark wissenschaftlich getrieben, gleichwohl machen Menschen den Unterschied. Der Haupttrend ist wohl der, dass immer mehr Medikamente für ganz spezifische Patientengruppen entwickelt werden, sogenannte «personalized medicine». Das ist Segen und Herausforderung zugleich.

Könnten Sie uns einen Einblick in Ihren Werdegang geben?

Ich startete meine berufliche Karriere als Consultant bei einer grossen, international tätigen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt «Gesundheitswesen». Hier kam ich zum ersten Mal mit der Pharma-Welt in Berührung und sie faszinierte mich augenblicklich. Ich begann im Aussendienst, lernte, was «verkaufen» heisst, war Product Manager für verschiedene Produkte und erhielt dann später die Chance, die Verantwortung für «Pricing & Reimbursement» zu übernehmen, welche ich dann als Head Market Access bei einem Schweizer Unternehmen vertiefen durfte.

Sie sind Head Market Access. Wer sind Ihre Kunden und was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?

Ich habe viele Kunden, interne und externe. Einige dieser Kunden sind sich wohl gar nicht bewusst, dass ich sie als meine Kunden betrachte. Intern geht es insbesondere darum, unterschiedlichste Funktionen wie Marketing, Medical oder Regulatory für die «Aussensicht» auf unsere Produkte zu sensibilisieren: Wie können wir den Ärzten, unseren immer noch wichtigsten Kunden, den Wert eines neuen Medikamentes verdeutlichen? Aber auch den Behörden, den Krankenkassen und – mit Einschränkungen – der Öffentlichkeit? Das ist es, was ich gerne tue: Komplexe Themen herunterzubrechen, verständlich zu machen – und damit hoffentlich auch Preis-Verhandlungen erfolgreich zu Ende zu bringen.

Welche Voraussetzungen muss man für Ihre Stelle als Head Market Access mitbringen?

Man sollte neugierig sein und sich sowohl für ökonomische als auch naturwissenschaftliche Themen interessieren. Sich mit unterschiedlichsten Sichtweisen und Meinungen zu befassen, sollte Freude bereiten. Und natürlich sollte man Menschen mögen und Netzwerke aufbauen können. Und ja, eine gewisse Resilienz sollte man mitbringen, da die Prozesse oft nicht so schnell sind, wie man es sich wünschen würde.

Sie waren vorher im Marketing und im Verkauf tätig und arbeiten jetzt bereits seit vielen Jahren im Market Access, was war Ihre Motivation für diese Neuausrichtung? Wie gut ist Ihnen dieser Wechsel gelungen?

Das müssen Sie meinen Chef fragen (lacht). Aber im Ernst: Ich bin froh, diesen Schritt, der jetzt ja schon etwas zurück liegt, gemacht zu haben. Eigentlich bin ich da «hereingerutscht», wusste anfangs gar nicht so genau, was alles zu dieser Funktion gehört. Mir gefällt die Breite an Fragestellungen und der Kontakt mit verschiedensten internen und externen Funktionen. Market Access ist keine exakte Wissenschaft und genau das sagt mir zu: Der Einsatz von Fachwissen und gesundem Menschenverstand.

Wie wird sich die Funktion Market Access in Bezug auf die Digitalisierung in den nächsten Jahren verändern?

Die Digitalisierung wird auch die Pharma- und Gesundheitsbranche verändern, und zwar drastisch. Überall, wo es Schnittstellen gibt, und davon gibt es sehr viele: Spital zu Spital, Patient zu Arzt, Versicherer zu Leistungserbringer. Da besteht ein riesiger Nachholbedarf, wie er in der COVID-Pandemie offensichtlich wurde. Im Bereich Market Access bringt Digitalisierung insbesondere für die Vernetzung der Stakeholder Vorteile, z. B. in der Zusammenarbeit mit Krankenversicherern, im Zugang zu Datenbanken, in der Generierung von pharmaökonomischen Modellen oder für «Real World Evidence», also Daten und Informationen, welche nicht aus Studien resultieren, sondern im praktischen Alltag anfallen.

Welche Veränderungen bemerken Sie seit dem Start der COVID-Pandemie?
Ich arbeitete schon früher teilweise von zuhause. Seit der COVID-Pandemie mache ich das häufiger. Die reduzierten Reisezeiten machten vieles effizienter, aber nicht immer besser. Deshalb schaue ich darauf, dass ich regelmässig auch vor Ort bin. Den Wert von persönlichen Meetings, Gesprächen beim Kaffee und des Mithörens von Diskussionen im Open-Space-Büro darf man nicht unterschätzen.

Worin unterscheiden sich Ihre heutigen Aufgaben im Vergleich zu den früheren Funktionen in Marketing und Sales?

Der grösste Unterschied ist wohl der, dass im Market Access eine Vielzahl von Querschnittsaufgaben anfällt. Während früher – etwas plakativ gesagt – ein neues Medikament entwickelt und dann mit Hilfe von Marketing und teilweise mehreren Aussendienstlinien im Markt eingeführt wurde, ist das heute deutlich vielschichtiger. Es gilt, bereits in frühen Stadien der Entwicklung einer Therapie, klinische Experten wie auch Patientenorganisationen einzubeziehen, den «Medical Need» zu beschreiben, die Population einzugrenzen, den Wert des Medikamentes zu veranschaulichen, Vergütungsmodelle zu entwickeln. Und das alles in einer konzertierten Art und Weise. Diesen Prozess hat der Market Access-Verantwortliche zu moderieren.

Welches Karriereziel verfolgen Sie?

Ich hatte eben Gelegenheit, bei Pierre Fabre als Head Market Access zu starten. Hier einen guten Job zu machen, das ist vorerst mein Ziel.

Vervollständigen Sie den Satz «In 5 Jahren möchte ich …»

… das, was ich aktuell tue, mit noch mehr Kreativität und Exzellenz gestalten.

Welche Organisationen bieten Aus- und Weiterbildungen im Bereich Market Access an?

Die Swiss Health Quality Association (shqa) bietet jedes Jahr einen 2-tägigen Kurs «Market Access Pharma intensiv» an, bei welchem ich die Co-Leitung innehabe.

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Welche Berufsbilder sind in der Gesundheitsbranche gefragt? Was für Voraussetzungen muss man dafür mitbringen? Welche Trends zeichnen sich ab? Erhalten Sie Denkanstösse für Ihre eigene Karriere! In der Interviewserie Stettler Kandidaten Stories kommen exklusiv erfahrene und erfolgreiche Kandidaten zu Wort.

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