
Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Familienunternehmen im Wandel
Der CEO der Bauerfeind Schweiz AG, Marc Déverin, spricht im Stettler CEO Talk über die Leistungen und Angebote des traditionsreichen Familienunternehmens. Dabei betont er, dass das Unternehmen auch erfolgreich Quereinsteiger und Branchenfremde rekrutiert und vermehrt auf intrinsische Motivation, Lernbereitschaft und unternehmerisches Denken setzt.
Marc Déverin, Sie führen seit fast 10 Jahren die Bauerfeind Schweiz AG, ein traditionsreiches Familienunternehmen mit einer über 90-jährigen Geschichte. Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?
Mein Vorgänger hat Bauerfeind Schweiz 1986 gegründet und sehr erfolgreich gearbeitet. So gesehen war die grösste Herausforderung, zuerst mal das weiterzuführen, was bereits bestand. Ich denke, dass dies der erste Erfolg war: Mit dem bestehenden Team die laufenden Geschäfte so erfolgreich weiterzuführen. In einem zweiten Schritt konnten wir erfolgreich den Apothekenkanal in der Schweiz ansprechen und uns in der medizinischen Kompression sowie in der Orthopädie als Nummer 2 im Apothekenkanal etablieren.
Darüber hinaus hat unsere in der Schweiz doch sehr kleine Branche seit 2017 an Bedeutung gewonnen, als wir einen Verband gegründet haben. Heute sind wir eine Fachgruppe bei Swiss Medtech mit 13 Mitgliedern. Wir wachsen weiter und ich darf nach wie vor als Präsident fungieren. Wir haben ein Gesicht und können unsere Anliegen gegenüber allen Partnerverbänden, dem medizinischen Fachhandel, den Endkunden und sogar der Politik selbst vertreten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Firmennamen «Bauerfeind» in einem immer noch stark landwirtschaftlich geprägten Land wie der Schweiz gemacht?
Bei diesem Namen gibt es schon die eine oder andere Begebenheit, wobei man differenzieren muss. In Fachkreisen hat der Name einen hohen Bekanntheitsgrad. Bauerfeind ist bei Ärzten seit Jahrzehnten etabliert und steht für Kompetenz und Qualität in der Orthopädie und Kompression. Bei Privatpersonen sorgt der Name ab und zu für unwissendes Schulterzucken. Aber wenn wir dann sagen, dass wir diejenigen mit den blau-grauen Bandagen sind, nicken die meisten, denn sie haben mindestens einmal schon ein Produkt von uns getragen oder kennen jemanden, der eine Kniebandage von uns nutzt. Was konkret die Reaktion von Bauern betrifft, denke ich gern an einen Landwirt zurück, den ich vor circa fünf Jahren auf einem grösseren Schwingfest in der Ostschweiz kennenlernte. Ich trug eine Jacke mit unserem Firmenlogo und ein schon etwas älterer, aber rüstiger Herr sprach mich darauf an. Als ich anfing, ihm den Hintergrund des Familiennamens Bauerfeind zu erklären, zeigte er mir voller Stolz seine beiden Knie: Er trug rechts und links jeweils eine Bandage von uns und berichtete mir dankbar, dass ihn unsere Produkte seit mehreren Jahren schon tagtäglich während seiner Arbeit als Bauer begleiten.
Was sind die spezifischen Vorteile von Kniebandagen und Knieorthesen im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden wie Medikamenten, Physiotherapie und Operationen bei der Behandlung von Kniearthrose?
Alle genannten Methoden helfen bei der Heilung und haben ihre Berechtigung! Bei einer Bandage oder Orthese stellt sich die Wirkung unmittelbar ein, wenn ich das Produkt trage – und hört auf, wenn ich es ablege. Wie bei einem Lichtschalter: an oder aus. Das ist bei der Dosierung von Medikamenten bekanntlich anders. Bandagen und Orthesen können auch gezielt bei der Physiotherapie unterstützen, da sie einem – wie eine Art Mini-Physiotherapeut – immer daran erinnern, die Bewegung im richtigen Bewegungsumfang auszuführen. Zu guter Letzt können Bandagen und Orthesen dazu beitragen, eine Operation so lange wie möglich hinauszuzögern. Und nach dem Eingriff helfen sie dann, das Ergebnis zu sichern und wieder in Bewegung zu kommen.
Welche Eigenschaften und Kompetenzen sind Ihnen besonders wichtig, wenn es darum geht, Mitarbeitende für Ihr Team auszuwählen?
Als Vertriebsgesellschaft benötigen wir primär Fachkräfte in den Bereichen «Marketing» und natürlich «Sales». Waren früher Skills wie Branchenerfahrung und Produktkenntnisse für uns entscheidend, haben wir heute unseren Fokus viel weiter gefasst. Wir geben gern auch Quereinsteigern und Branchenfremden eine Chance. Dabei achten wir besonders auf die intrinsische Motivation, unternehmerisches Denken und Handeln, Lernbereitschaft und «Macherfähigkeiten». Ausserdem ist uns wichtig, unterschiedliche Nationalitäten im Team zu haben, damit wir ein Spiegelbild der Schweizer Gesellschaft erreichen und ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Denkweisen und Entscheidungsprozesse haben.
Welche Zukunftspläne haben Sie für die Bauerfeind Schweiz AG und wie möchten Sie das Unternehmen in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Wir werden uns weiterhin auf allen Ebenen bewegen – im Sortiment, in der Marktbearbeitung und in der aktiven Ausgestaltung der Rahmenbedingungen. Das ist notwendig, denn der demographische Wandel führt dazu, dass der Bedarf an medizinischen Hilfsmitteln weiter steigen wird – und damit auch die Anforderungen an den Gesundheitsmarkt wachsen. Denken wir nur an Arthrose oder Gefässkrankheiten, die im Alter zunehmen und heute schon Volkskrankheiten sind, die das Gesundheitssystem fordern. Als Hersteller haben wir sowohl auf der Produktebene als auch auf der Dienstleistungsebene hochwirksame und attraktive Angebote. Es gilt jedoch auch, sich für passende Rahmenbedingungen einzusetzen und immer wieder zu erläutern, welchen enormen Beitrag die Schweizer Hilfsmittelbranche zur Gesundheit leistet. Denn der Nutzen unserer Produkte wird völlig unterschätzt. Bauerfeind kann als Firma, aber auch als aktiver Teil eines Branchenverbands wie Swiss Medtech hier einen Beitrag zur Marktentwicklung leisten.
Welche Lektionen haben Sie im Laufe Ihrer Karriere als CEO der Bauerfeind Schweiz AG gelernt und welche Ratschläge würden Sie anderen Führungskräften auf deren Weg mitgeben?
Als CEO ist es wie auf der See – mal ist die Sicht ausgezeichnet und die Verhältnisse sind perfekt, mal ist es stürmisch und man sieht die Hand vor Augen nicht. In allen Situationen bleibt man aber Kapitän. Man muss analysieren, entscheiden und letztlich immer die Verantwortung tragen.
Pauschal-Ratschläge zu geben, das ist schwierig. Führung ist für mich immer auch situativ, da wir es als Führungskräfte mit ganz verschiedenen Menschen und unterschiedlichen Teams zu tun haben. Persönlich bin ich gut gefahren, wenn ich mir immer wieder Folgendes vor Augen geführt habe: Sei natürlich und sei Du selbst. Führe so, wie Du auch gerne geführt werden würdest. Entwickle eine gemeinsame Vision mit gemeinsamen Zielen, die alle verstehen, und gehe bei der Umsetzung voran.
Wie bewerten Sie die Rolle von Stettler Consulting AG als Beratungs- und Coaching-Dienstleister bei der Entwicklung Ihres Teams zu einem High-Performance-Team und welche persönlichen Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
Stettler Consulting ist ein langjähriger und wichtiger Partner für Bauerfeind. Wir vertrauen auf die Unterstützung bei der Rekrutierung und konnten auch nach der schwierigen Corona-Phase zeitnah die Vakanzen besetzen. Seit Herbst 2022 haben wir ein komplettes Team und arbeiten kontinuierlich an der Teambildung, inklusive Aus- und Weiterbildungen. Mit Stettler Consulting sind wir agil und flexibel in unserer Organisationsentwicklung.
Wenn Sie etwas mit einem Fingerschnipp verändern könnten, was wäre das?
Wenn ich die jetzige Diskussion im Finanzsektor ansehe, wünsche ich mir wieder mehr Integrität, Empathie und Demut im Management und in der Führung. Als Führungskraft sollte man sich jederzeit bewusst sein, dass diese Aufgabe ein Privileg ist, die aber gleichzeitig Eigenverantwortung und den Willen, eine Vorbildsfunktion zu übernehmen, fordert.
Über Bauerfeind:
Bauerfeind ist ein deutsches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Herstellung von medizinischen Hilfsmitteln spezialisiert hat, insbesondere Bandagen, Orthesen und Kompressionsstrümpfen.