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Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Kreativität und Teamgeist im Vertrieb von Plasmaprodukten

Im Stettler CEO Talk spricht Dr. Dieter Naeher, Geschäftsführer von Biotest (Schweiz) AG, über die Anwendung und Wirksamkeit von Blutplasmaprodukten sowie den zukünftigen Marktauftritt in der Schweiz. Er betont die Vorteile einer kleinen Firma für Mitarbeitende, insbesondere den bedeutenden Impact, den sie im Arbeitsalltag haben. Darüber hinaus hebt er die Bedeutung von Kreativität und Flexibilität hervor, um den Herausforderungen eines stark regulierten Marktes zu begegnen. Persönlich sieht er die Bereitschaft zu kontinuierlichem Wandel als Schlüssel zum langfristigen Erfolg.

Dr. Dieter Naeher, der Name „Biotest“ könnte bei manchen den Eindruck erwecken, das Unternehmen sei auf Diagnostik, Alternativmedizin oder natürliche Heilmethoden spezialisiert. Führt das gelegentlich zu Verwechslungen?
Ja, das wird tatsächlich häufig missverstanden. Historisch gesehen, über unsere 80-jährige Firmengeschichte hinweg, hatten wir auch diagnostische Verfahren im Portfolio – daher stammt der Name „Biotest“. Heute konzentrieren wir uns jedoch vollständig auf die Entwicklung und Bereitstellung hochspezialisierter Arzneimittel, die zur Behandlung mitunter schwerster Erkrankungen eingesetzt werden. Unsere Produkte sind für den klinischen Einsatz im schulmedizinischen Rahmen konzipiert, nicht im Bereich alternativer Heilmethoden.

Biotest (Schweiz) AG vertreibt Blutplasmaprodukte, die nicht künstlich hergestellt werden können. Wie stellen Sie sicher, dass genügend Blutplasmaspendende gefunden werden, um Versorgungsengpässe zu vermeiden?

Um Engpässe bei unseren Blutplasmaprodukten zu vermeiden, setzt die Biotest-Gruppe auf ausreichende Spendensammlungen aus eigenen Blutplasmasammelzentren und lanciert Aufklärungskampagnen. Darüber hinaus investieren wir in Produktionskapazitäten, um die Effizienz zu steigern und die Versorgung sicherzustellen.

Wie aufwendig sind die Herstellungsprozesse für Blutplasmaprodukte und wie beeinflusst das die Produktionskosten?

Blutplasma ist ein Naturprodukt und unterliegt daher gewissen Schwankungen in der Zusammensetzung. Zur Sicherstellung gleichbleibender Qualität sind die Herstellungsprozesse für Blutplasmaprodukte sehr aufwendig. Bei der Plasmafraktionierung müssen zahlreiche komplexe Schritte durchgeführt werden, um verschiedene Proteine aus dem Plasma zu gewinnen und aufzureinigen. Hinzu kommt, dass Blutplasma als Rohstoff besonders begrenzt ist, was die Produktionskosten weiter in die Höhe treibt. Diese Faktoren machen Blutplasmaprodukte teurer, bei gleichzeitig tieferen Gewinnmargen im Vergleich zu synthetischen Pharmazeutika.

Welche Massnahmen ergreifen Sie, um die Reinheit des Plasmas zu gewährleisten und die Übertragung möglicher Spenderkrankheiten zu verhindern?

Plasmaspendende müssen sich im Gegensatz zu „normalen Blutspendenden“ medizinisch qualifizieren lassen. Die Spenden werden zusätzlich mittels PCR auf Krankheitserreger getestet. In der Produktion kommen vier Verfahren zur chemischen und physikalischen Entfernung von Pathogenen zum Einsatz: Auswahl, Kontrolle, Inaktivierung und Filtration. Damit ist eine Übertragung von Krankheiten auf Patientinnen und Patienten ausgeschlossen.

Welche Indikationsgebiete decken Sie mit Ihren Blutplasmaprodukten ab und welche Rolle spielen diese in der modernen Medizin?

Unsere Blutplasmaprodukte decken verschiedene Therapiefelder ab, darunter den Ersatz fehlender Blutproteine, die Kontrolle von Infektionskrankheiten und die Linderung von Autoimmunerkrankungen. Die Wirkstoffe unserer Produkte werden nicht künstlich entwickelt, sondern stammen aus natürlichen Proteinen, die von der Natur selbst über die Zeit weiterentwickelt und optimiert wurden. Diese Entwicklung sorgt für eine hohe Verträglichkeit und Wirksamkeit. Unsere Produkte sind Teil der modernen Medizin und kommen bei Erst-, Zweit- und Drittlinien-Therapien zum Einsatz.

Wie komplex sind Ihre Produkte in der Anwendung, insbesondere im Bereich Immundefizienz und Autoimmunität?

Die Produkte selbst sind nicht komplex, da es sich um einzelne Proteine handelt, die intravenös verabreicht werden. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dass die behandelten Krankheiten oft sehr komplex und durch viele Faktoren bedingt sind. Eine unserer Aufgaben besteht darin, interessierten Anwendenden die multifaktoriellen Wirkungsweisen unserer Produkte verständlich darzulegen. Das bedingt eine gewisse Fachkompetenz.

Sie waren früher bei grossen Konzernen wie Roche tätig. Wie haben Sie vor 11 Jahren den Wechsel in eine kleine Firma wie Biotest (Schweiz) AG, die in einem kleinen Dorf wie Rupperswil ansässig ist, erlebt?

Der Wechsel von einer Universitätsstadt und Pharma-Metropole wie Basel, wo ich in einem Umfeld mit Tausenden von Mitarbeitenden tätig war, in ein kleines Team in einem Dorf im Aargau war anfangs mit Skepsis verbunden. Ich habe mich damals gefragt, ob dies wirklich der richtige Schritt für meine berufliche Entwicklung im Pharmabereich ist…

… und dann haben Sie den Schritt gewagt und unerwartete Vorteile in der Arbeit entdeckt, die Sie in grossen Firmen nicht hatten. Welche Vorteile waren das?

Entscheidend war die Erkenntnis, dass Biotest (Schweiz) AG zwar klein, aber ein integraler Bestandteil eines weltweit tätigen Konzerns ist, mit einer modernen Arbeitsinfrastruktur. Ich musste in meiner Arbeitsweise keine Abstriche machen. Im Gegenteil: Plötzlich hatte ich raschen Zugang zu wichtigen Ressourcen, meine Kompetenzen wurden geschätzt und meine Einschätzungen flossen in operative sowie strategische Entscheidungen ein. Die Motivation, mich jeden Morgen für etwas einzusetzen, das einen echten Impact hat, ist zentral für mich. Das habe ich bei Biotest unabhängig von meiner Funktion erfahren, sowohl als Medical Advisor als auch heute als Geschäftsführer.

Ich vergleiche den Unterschied zwischen einer Grossfirma und einer kleinen Firma gerne mit einem massiven Übersee-Containerfrachter und einem wendigen Segelkatamaran. Der Containerfrachter ist unempfindlicher gegenüber äusseren Bedingungen, während der Katamaran viel wendiger ist und die Leistung stark von jedem Crewmitglied abhängt. Das spiegelt sich auch in unserer Produktpalette wider, die sich eher auf seltene Erkrankungen konzentriert als auf grossvolumige „Blockbuster“.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten suchen Sie bei neuen Mitarbeitenden für Biotest (Schweiz) AG, und wie stellen Sie sicher, dass sie gut ins Team passen?

Auch hierbei ziehe ich gerne den Vergleich mit dem Segelkatamaran: Verstecken in der Masse ist nicht möglich, und Alleingänge bergen ein hohes Risiko für Schiffbruch. Jedes „Crewmitglied“ muss seine Aufgaben zuverlässig im Sinne des Teams erfüllen und sich aktiv einbringen. Solide Fachkompetenzen und die Freude, diese im Einklang mit den Unternehmenszielen einzusetzen, sind entscheidend.

In unserer kleinen Firma formen sowohl die Mitarbeitenden als auch die Organisation einander, was Flexibilität und Kreativität in der Zielumsetzung erfordert.

Sie bezeichnen sich selbst als kreativ. Wie wichtig ist Ihnen Kreativität bei der Auswahl von neuen Mitarbeitenden?

Die Pharmabranche ist stark reguliert, was den Eindruck erwecken kann, dass Kreativität fehl am Platz ist. Das Gegenteil ist der Fall. Das Arbeiten innerhalb dieser Regularien erfordert Flexibilität und Innovation, um den steigenden Marktanforderungen gerecht zu werden. Kreative Bewerbende bringen wertvolle Fähigkeiten mit, die ich sehr schätze.

Wo sehen Sie Biotest (Schweiz) AG in fünf Jahren?

Ziel ist es, das Produktportfolio kontinuierlich mit weiteren Plasmaproteinwirkstoffen auszubauen. Dafür sollen Zulassungen für Produkte beantragt werden, die in der Schweiz noch nicht zugelassen sind. Darüber hinaus befinden sich neue Produkte in den Bereichen der Blutgerinnung und schwerer Autoimmunerkrankungen derzeit in klinischen Prüfungen. Auch für diese Produkte ist ein Markteintritt in der Schweiz geplant.

Wie lautet Ihr persönliches Karriererezept?

Richte deine Karriere nach dir, nicht dich nach deiner Karriere.

Was fordert Sie heraus?
Menschen, die nicht die Wahrheit sagen und glauben, ich würde es nicht merken.

Was ist für Sie beim Führen das Allerwichtigste?

Die zielgerichtete Zusammenarbeit. Dazu gehören klare Vorgaben, das offene Prüfen von Einwänden, gegenseitiges Vertrauen, gezielte Unterstützung und ein gemeinsames Besprechen der Ergebnisse.

Welche Menschen inspirieren Sie und weshalb?

Menschen, die sowohl beruflich als auch persönlich lernbereit sind.

Wie lautet Ihr Lieblingszitat?

Es ist eine Kombination aus zwei Aussagen von Berühmtheiten, deren Lebenszeiten sich überschnitten haben: “Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“, von Kaiser Wilhelm II., und “Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die sich am ehesten anpassen kann“, von Charles Darwin.

Kaiser Wilhelm II. war stark und intelligent, ignorierte jedoch die Bedeutung des Wandels und sass somit in seinem Urteil über Autos komplett auf dem falschen Dampfer. Die Bereitschaft zu kontinuierlichem Wandel ist meiner Meinung nach der Schlüssel zum langfristigen Erfolg.

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Wie gelingt erfolgreiche Führung im dynamischen Umfeld des Gesundheitswesens? Was macht Arbeitgeber in Pharma, Hospital und Medizintechnik attraktiv? Im Stettler CEO Talk kommen jeden Monat exklusiv Schweizer Führungskräfte zu Wort und bringen auf den Punkt, was sie persönlich und die Branche bewegt.

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