
Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Vom Hotelier zum Klinikdirektor
Stefan Noll, Klinikdirektor des Rehazentrums Valens und der Clinic Bad Ragaz, erläutert im Stettler CEO Talk, warum er nach über 20 Jahren in der Hotellerie 2022 den Schritt ins Gesundheitswesen wagte. Zudem berichtet er darüber, wie seine Therapiehündin Luna im Klinikalltag behilflich ist und wie es ihm gelingt, dass sich Patienten in der Rehaklinik genauso gut aufgehoben fühlen wie Gäste in einem Luxushotel.
Stefan Noll, Sie verfügen über 20 Jahren Erfahrung in der internationalen Luxushotellerie. Was hat Sie motiviert, im Mai 2022 ins Gesundheitswesen zu wechseln? Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Die Hotellerie ist eine der schönsten Branchen und unglaublich erfüllend. Im Herzen werde ich immer Hotelier bleiben. Es ist bekannt, dass Hotelier nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebensweise ist.
Vor knapp 4 Jahren stellte mir mein damals neunjähriger Sohn die Frage: «Papa, wieviel Zeit hast Du eigentlich für mich?» Das schmerzte und mir wurde klar, dass diese Art zu arbeiten, sich mit meiner Lebenssituation nicht mehr hundertprozentig vereinbaren liess.
Bei der Suche nach einer neuen beruflichen Aufgabe war es mir wichtig, etwas Sinnstiftendes zu tun. So sprach ich mit ehemaligen Kollegen, die bereits ins Gesundheitswesen gewechselt haben. Sie berichteten alle positiv über ihr neues Arbeitsumfeld und erzählten, wie viele Parallelen es zur Hotellerie gibt. Daraufhin habe ich mich intensiver mit dem Gesundheitswesen beschäftigt und festgestellt, dass das auch etwas für mich sein könnte.
Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen der Hotellerie und dem Klinikbetrieb?
Sowohl in einem Hotel als auch in einer Klinik geht es um Menschen – um Mitarbeitende und Gäste, beziehungsweise Patienten. Die Ansprüche mögen zwar unterschiedlich sein, aber im Grunde bleibt das Prinzip gleich: Der Mensch steht im Mittelpunkt.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass sowohl in einer Klinik als auch in einem Hotel Menschen übernachten und essen. Das sind grosse Parallelen, mit dem Unterschied, dass Gäste vorwiegend freiwillig ins Hotel gehen, während die meisten Patienten in die Klinik müssen.
Wie stellen Sie sicher, dass die Patienten sich in der Rehaklinik genauso gut aufgehoben fühlen wie Gäste in einem Luxushotel?
Neben der erstklassigen Versorgung durch das klinische Team geht es in einer Klinik ebenso wie in einem Hotel darum, dass sich die Gäste resp. Patienten wohl fühlen. Feedback aus erster Hand ist mir dabei besonders wichtig, weshalb ich regelmässig Patientengespräche führe.
Darüber hinaus haben wir eine grosse Anzahl von Patienten, die aufgrund ihrer MS-Erkrankung wiederkehrend zu uns kommen – quasi unsere «Stammpatienten». Wöchentlich lade ich einen Teil dieser Patientinnen und Patienten zu einem Apéro ein. Der dabei stattfindende Austausch wird gegenseitig sehr geschätzt. Mir bietet dieser Austausch die Möglichkeit, die Bedürfnisse besser kennenzulernen und über aktuelle Projekte in der Klinik zu informieren.
Einige dieser Patientinnen und Patienten kommen seit Jahrzenten zu uns und fühlen sich mit der Klinik sowie vielen unserer Mitarbeitenden sehr verbunden.
Was waren die grössten Herausforderungen bei Ihrem Einstieg in die Gesundheitsbranche, und wie haben Sie diese gemeistert?
Meine ersten Sitzungen, insbesondere bei klinischen Themen, glichen den ersten Lektionen einer neuen Fremdsprache. Mit Hilfe meiner Kolleginnen und Kollegen und sowie durch stetiges Nachfragen habe ich jedoch die wichtigsten Fachausdrücke schnell genug verstanden, um zu wissen, worum es geht.
Eine weitere Herausforderung war das Verständnis für die unterschiedlichen Einschränkungen der Patienten. In einer Klinik kann man nicht grenzenlos kreativ Ideen umsetzen. Manchmal scheitert es an Kleinigkeiten, wie zum Beispiel dem Drehverschluss einer Shampoo-Flasche, den nicht alle selbständig öffnen können. Das unbeaufsichtigte Konsumieren eines gut gemeinten Bettmümpfeli kann bei Patienten mit Schluckstörungen zu einer lebensbedrohlichen Situation führen.
Welche zentralen Kompetenzen und Qualifikationen sollten Mitarbeitende mitbringen, um im Rehazentrum Valens oder in der Clinic Bad Ragaz erfolgreich tätig sein zu können?
Mitarbeitende im Rehazentrum Valens oder in der Clinic Bad Ragaz sollten fachliche Kompetenz, interdisziplinäre Teamfähigkeit, hohe Sozialkompetenz, Flexibilität und Mobilität, Verantwortungsbewusstsein sowie Motivation zur Mitgestaltung mitbringen.
Therapiehunde wie Ihre Labradorhündin Luna werden immer beliebter. Welche positiven Auswirkungen haben Sie durch Lunas Einsatz als Therapiehund in der Klinik erlebt, die mit anderen therapeutischen Massnahmen schwer zu erzielen sind?
Tiere sind immer ein «Icebreaker». Zwar gibt es auch Menschen, die Tiere ablehnen, doch tatsächlich werden sie von der Mehrheit der Menschen geliebt. Tiere – und so auch Luna – haben einen motivierenden Effekt auf unsere Patientinnen und Patienten. Während bestimmte Wiederholungen in einer Therapie vielleicht eintönig wirken können, werden sie plötzlich spannend, wenn man sie mit einem Hund durchführen kann.
Ihre Luna ist ein fester Bestandteil im Klinikalltag. Inwiefern erleichtert Lunas Anwesenheit dort den Umgang mit schwierigen Situationen?
Luna begleitet mich täglich zur Arbeit und wird punktuell in den Therapien eingesetzt. Da Luna nur mit mir als Hundeführer arbeiten kann, was sich mit meinem Kalender manchmal schwierig gestalten lässt, ist ein regelmässiger Einsatz schwierig. Wir arbeiten jedoch an einem Konzept mit dem Einsatz mehrerer Hunde, bei dem auch Luna und ich eingeplant sind.
Eine Erleichterung bringt sie bei schwierigen Gesprächen, die zwar selten sind, aber dennoch vorkommen. Ich führe diese Gespräche meist in meinem Büro. Patientinnen, Patienten oder Angehörige, die vielleicht eher angespannt zum Gespräch erscheinen, verlieren diese Anspannung häufig durch Lunas Anwesenheit, was dem weiteren Verlauf des Gesprächs stets zugutekommt.
Wie lautet Ihr persönliches Karriererezept?
Ein authentisches, von Ehrlichkeit, Respekt und Positivität geprägtes Führungsverhalten ist mir sehr wichtig. Langfristiger Erfolg stellt sich durch harte Arbeit und den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu Mitarbeitenden sowie zu Patienten resp. Gästen ein. Die Fähigkeit, mehr zuzuhören als zu reden, erachte ich als eine besonders wertvolle Gabe.
Was fordert Sie heraus?
Als besonders herausfordernd empfinde ich es, wenn Menschen unkooperativ sind oder unnötiges Konkurrenzdenken an den Tag legen.
Welche Menschen inspirieren Sie und weshalb?
In meinem Arbeitsalltag treffe ich immer wieder schwer- und schwerstbetroffene Patientinnen und Patienten, die ein tragisches Schicksal tragen. Darunter befinden sich oft Menschen, die trotz ihrer schwierigen Situation immer noch ein halb volles Glas sehen und ihre Lebensfreude nicht verloren haben. Diese Fähigkeit inspiriert mich. Es kommt allzu oft vor, dass wir uns über die Probleme in unserem Leben beschweren, obwohl wir bei bester Gesundheit sind.
Wie lautet Ihr Lieblingszitat?
«Es gibt im Leben keine Abkürzungen.» – Unbekannt