
Gefühle im Job: Wie professioneller Umgang den Unterschied macht
Emotionen am Arbeitsplatz – für viele ein Tabuthema. Doch die Wahrheit ist: Gefühle lassen sich nicht an der Bürotür ablegen. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen, unser Verhalten und die Dynamik im Team. Ob Freude über Erfolge, Ärger über Missstände oder Unsicherheit in Zeiten des Wandels – Emotionen sind allgegenwärtig. Aber: Wie kann man sie professionell und produktiv nutzen?
Warum Gefühle am Arbeitsplatz wichtig sind
Gefühle sind keine Schwäche, sondern ein wesentlicher Bestandteil unseres Denkens und Handelns. Studien belegen, dass Emotionen uns dabei helfen können, bessere Entscheidungen zu treffen, komplexe Situationen zu analysieren und stabile Beziehungen aufzubauen. Trotzdem gelten sie in der Geschäftswelt oft als unprofessionell, da sie häufig als irrational angesehen werden.
Je nach Art und Häufigkeit können bei sich selbst wahrgenommene und von anderen gezeigten Emotionen die Beteiligten aber auch stark verunsichern. Insbesondere Führungskräfte sollten sich der positiven und verunsichernden Wirkungen von Emotionen bewusst sein und wissen, wie man mit ihnen am besten umgeht, um emotionsgeladene Situationen konstruktiv zu meistern. In Coachings werde ich z. B. oft gefragt, wie ein „professioneller Umgang“ mit weinenden Mitarbeitenden aussieht.
Ein verbreitetes Missverständnis besteht dabei in der Annahme, dass Emotionen im Arbeitskontext immer unterdrückt werden müssten. Doch genau hier liegt das Problem: Unterdrückte Gefühle verschwinden nicht – sie verstärken sich und können langfristig unter Umständen sogar zu gesundheitlichen Problemen führen. Der Schlüssel liegt darin, Emotionen nicht pauschal zu verteufeln, sondern sie als wertvolle Signale zu erkennen. Wer lernt, die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen und sinnvoll einzusetzen, fördert nicht nur das persönliche Wohlbefinden, sondern stärkt auch die Unternehmenskultur und den Innovationsgeist. Ein bewusster Umgang mit Emotionen ist daher nicht nur menschlich, sondern auch professionell – und essenziell für nachhaltigen Erfolg.
Professioneller Umgang mit Gefühlen: 4 Tipps
1. Ein breites Gefühlsvokabular entwickeln
Viele Menschen kennen nur die Basics: glücklich, traurig, wütend. Doch Emotionen sind komplexer und vielschichtiger. Hier empfiehlt es sich, den eigenen Wortschatz zu erweitern, um Gefühle präzise benennen zu können. Warum? Weil klar definierte Emotionen leichter verarbeitet werden. Der Unterschied zwischen „gestresst“ und „überfordert“ mag klein wirken, kann aber bei der Wahrnehmung, Analyse und anschliessenden Lösungsfindung eine grosse Rolle spielen.
Tipp für den Alltag: Notiere regelmässig, wie du dich fühlst und suche gezielt nach Worten, die deine Emotionen genauer beschreiben. Du wirst beobachten, dass dir dies mit der Zeit immer leichter fällt und du zusehend geschickter wirst im Benennen und Einordnen von Emotionen.
2. Gefühle als Informationsquelle nutzen
Emotionen sind wie Warnlampen – sie zeigen uns, wo etwas nicht stimmt oder was uns wichtig ist. Das können wir nutzen. Wut kann beispielsweise ein Signal sein, dass Werte oder Grenzen verletzt wurden. Wenn wir darüber reflektieren, kann die Wut uns letztlich dabei helfen, den Kern des Problems zu erkennen und zu analysieren. Die Wut bewegt uns, etwas zu verändern. Oder wenn wir neidisch sind, können wir erkennen, dass Neid signalisiert: „Das möchte ich auch können!“. Dies kann dann ein wirkungsvoller Anstoss für persönliche Weiterentwicklung sein. Anstatt uns zu ärgern und dabei weitere wertvolle Energie zu verlieren, könnten wir überlegen, wie wir das Ziel erreichen und uns der Umsetzung widmen.
Tipp für den Alltag: Frage dich bei starken Gefühlen: „Was will mir dieses Gefühl sagen?“
3. Emotionale Selbstregulation üben
Wir alle haben vermutlich schon einmal mit einer launischen Kollegin oder einem launischen Kollegen zusammengearbeitet. Das aus diesen Emotionen resultierende Verhalten ist für die Zusammenarbeit meistens toxisch. Oft hält sich die launische Person jedoch für „authentisch“. Der Grat zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ gezeigter Emotion ist schmal. Während ungefilterte Emotionalität unprofessionell wirken kann, führt völlige Unterdrückung zu innerem Druck. Die Balance macht den Unterschied. Der Satz „Du bist nicht dein Gefühl“ hilft, das aus den Emotionen resultierende Verhalten aktiv zu steuern.
Tipp für den Alltag: Wenn du dich frustriert fühlst, nimm dir einen Moment, um durchzuatmen und die Situation sachlich zu bewerten. Entkopple dein Gefühl von der Handlung, die du daraus ableiten möchtest. So kannst du überlegt und konstruktiv reagieren, statt impulsiv zu handeln.
4. Räume für Austausch schaffen
Emotionen verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert. Es ist elementar wichtig, Gefässe für den Austausch zu schaffen – etwa in Form von Feedbackgesprächen oder Teamrunden. Eine Kultur, in der Emotionen (positive wie negative) geteilt werden dürfen, schafft Vertrauen und fördert die Zusammenarbeit.
Tipp für den Alltag: Starte Team-Meetings mit einem kurzen Check-in: „Wie geht’s euch gerade?“ Das schafft einen Raum für ehrlichen Austausch.
Fazit: Emotionen steuern, statt sie zu verdrängen
Gefühle sind ein natürlicher Teil des Arbeitsalltags – ihre Existenz zu leugnen, ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unproduktiv. Der Schlüssel liegt darin, Emotionen bewusst zu erkennen und professionell zu nutzen. Wer lernt, seine Emotionen als wertvolle Ressource zu verstehen und so gewonnene Erkenntnisse gezielt einzusetzen, profitiert sowohl persönlich als auch beruflich: Das Wohlbefinden wird gestärkt und leistet gleichzeitig einen Beitrag zu einer offenen, vertrauensvollen und erfolgreichen Unternehmenskultur.