Schweizer Führungskräfte im Gespräch
Der CEO Aesthetics auf dem heissen Stuhl
Seit rund 7 Monaten bekleidet Jörg Nagel die Position des CEO der Aesthetics-Standorte der Pallas Kliniken. Im Stettler CEO Talk spricht er über die Gründung seines ersten Unternehmens noch auf dem Schulhof, über seine Erfahrungen in Transformationsprozessen, den heissen Stuhl bei Aesthetics und über seine unorthodoxen Vorstellungsgespräche.
Jörg Nagel, lassen Sie uns zuerst einen Blick in die Vergangenheit werfen: Mit 17 Jahren haben Sie mit Ihrem besten Freund auf dem Pausenhof eine kleine Firma gegründet und T-Shirts für Abiturabschlussklassen bedruckt. Wie ging das dann weiter?
Wir waren beide einfache Schüler mit vielen Ideen, voller Tatendrang und auch einer gewissen Naivität. Doch das Glück war auf unserer Seite: 2 Jahre später hatten wir beinahe alle 2000 Gymnasien abgedeckt und einen Marktanteil im Deutschen Abi-T-Shirt-Markt von rund 75%. Später kamen immer mehr Industriekunden dazu und nach 20 Jahren konnte ich den spezialisierten Anbieter für Industriebedarf mit rund 2500 Accounts europa- und weltweit erfolgreich verkaufen. Das war ohne Zweifel die intensivste und beste Schule, die man sich vorstellen kann.
Vom kleinen «Pausenhofunternehmer» zum weltweiten Player, das haben Sie geschafft und in den vergangenen Jahrzehnten auch etliche Firmen im Healthcare- und Medtech Bereich erfolgreich durch Veränderungsprozesse geführt. Haben Sie bei Aesthetics in den letzten 7 Monaten schon alles «umgekrempelt»?
Es gibt viele gute Dinge, auf denen ich aufbauen kann, aber tatsächlich konnte ich mit meinem Team schon einiges in Bewegung bringen und transformieren.
Wie sind Sie vorgegangen?
Durch intensive Widmung und lange Gespräche mit allen Mitarbeitenden an jedem Standort. Es ist wichtig zu eruieren, wo jede einzelne Mitarbeiterin, jeder einzelne Mitarbeiter steht, wo sie Veränderungsbedarf sehen, um daraus dann einen Handlungsplan / eine Strategie zu erstellen. So wurden an allen Standorten jeder einzelne Bereich und jede Abteilung genau unter die Lupe genommen und auf die neue Strategie ausgerichtet.
Wie haben Sie es geschafft, die Mitarbeitenden für die Transformation zu gewinnen?
Es ist entscheidend, dass die Mitarbeitenden die Strategie und die damit verbundenen Veränderungen vollständig verstehen können. Daher habe ich grossen Wert auf Erklärungen und Erläuterungen gelegt. Es fanden zahlreiche Fragerunden statt, bei denen ich persönlich auf kritische Fragen eingegangen bin. Ein Beispiel hierfür war die Veranstaltung «CEO Aesthetics auf dem heissen Stuhl», bei der ich Rede und Antwort stand und mich den Fragen und Bedenken der Mitarbeitenden gestellt habe. Ein offener Dialog und die Möglichkeit, die Anliegen ansprechen zu können, ist immens wichtig.
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach unabdingbar für einen erfolgreichen Transformationsprozess zum Wohle aller Parteien?
Klare Kommunikation und Konsequenz seitens der Führungskräfte. Es ist entscheidend, dass die Mitarbeitenden die Veränderungen verstehen und wissen, warum wir etwas neu und anders machen, ansonsten können sie es verständlicherweise nicht akzeptieren. Und Konsequenz, wie beim Segeln: Sie müssen den eingeschlagenen Weg konsequent verfolgen und den Kurs halten. Denn heute grün und morgen blau, das führt nicht zum Ziel.
Zum Wohle aller Parteien in einem Transformationsprozess, geht das überhaupt?
Es muss, sonst funktioniert es nicht. Natürlich kann man nie immer alle für eine Richtungsänderung resp. eine Veränderung begeistern, doch die Mehrheit sollte man erreichen können. Wie gesagt, ein Unternehmen besteht aus Menschen.
Was ist für Sie ein Reizwort oder ein Reizsatz?
«Das haben wir schon immer so gemacht». Wenn ich das höre, dann weiss ich, jetzt müssen wir reden. Und manchmal – viele Gespräche später – muss man dann erkennen und akzeptieren: «Rien ne va plus». Es gibt einfach Menschen, die absolut keine Veränderungsbereitschaft besitzen oder besitzen wollen.
Während des Transformationsprozesses bei Aesthetics: Was war eine der grössten Herausforderungen?
Eine der grössten Herausforderungen, die vor allem auch hochgradig spannend ist, bestand und besteht weiterhin darin, zwischen Patienten und Kunden zu unterscheiden und beiden vollumfänglich gerecht zu werden, da ihre Erwartungshaltungen vollkommen unterschiedlich sind. Um dies zu verdeutlichen, nehmen wir zum Beispiel eine Nasen-OP: Es gibt einen Unterschied, ob jemand nach einem Unfall eine medizinisch notwendige Nasen-OP benötigt, die von der Krankenkasse bezahlt wird, oder ob jemand aus rein ästhetischen Gründen eine neue Nase wünscht und dafür möglicherweise jahrelang gespart und intensiv nach dem richtigen Anbieter gesucht hat, um gleichsam die „Wunsch-Nase“ zu erhalten. Während ein Unternehmen mit rein medizinischer Ausrichtung diesen Spagat nicht bewältigen muss, sind wir dazu herausgefordert, beiden Zielgruppen gerecht zu werden. In unserer Organisation muss dieser Unterschied tief verstanden und verwurzelt sein, die Prozesse und Abläufe müssen genau studiert, beschrieben und umgesetzt werden.
Welche Veränderungen streben Sie weiter an?
Bei allem, was wir tun, soll der Fokus darauf liegen, die herausragende medizinische Exzellenz und menschliche Betreuung – die DNA der Pallas Kliniken – zu leben.
Wenn Sie sich beschreiben würden, was wäre Ihr grösstes Talent?
Wenn ich ein Talent haben sollte, dann ist es die Empathie. Es war schon immer so, dass ich meine Mitmenschen sehr gut spüren und verstehen konnte. Bei Turnaround-Situationen kommt diese Fähigkeit sehr stark zum Tragen. Ohne diese Eigenschaft hätte ich mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Freude an Transformationsprozessen. Denn zusammen mit Menschen eine neue Richtung einzuschlagen und gemeinsam ein neues Ziel erfolgreich zu verfolgen, ist ohne empathisches Geschick wohl kaum zu schaffen.
Welche Eigenschaften und Kompetenzen sind Ihnen besonders wichtig, wenn es darum geht, Mitarbeitende für Ihr Team auszuwählen?
Da interessieren mich vor allem zwei Kompetenzen: Teamfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Über den Rest kann man reden. Denn Fachwissen kann man sich aneignen, doch bei der Teamfähigkeit und Leistungsbereitschaft, da wird es schon schwieriger.
Wie eruieren Sie, ob jemand teamfähig und leistungsbereit ist?
Unter anderem mittels sehr unorthodoxer Vorstellungsgespräche, man könnte es «agile Recruiting» nennen. Dabei geht es vor allem darum «hinter die Hüllen zu schauen».
«Agile Recruiting», wie läuft das ab?
Je nach Position lade ich manchmal die ganze Familie mit Partner oder Partnerin und Kindern für einen Samstag ins Büro ein, am besten morgens um acht. Ohne grosse Vorbereitung soll die ganze Familie kommen und ich bringe «Gipfeli» mit und mein Sohn passt dann auf die Kinder auf. Rund 50% der Kandidaten sagen bereits bei dieser Einladung ab. Bei einer Zusage lernen wir uns dann alle kennen und dabei steht nicht etwa der CV im Mittelpunkt, sondern die Person, der Mensch. Auf beiden Seiten.
Welche Zukunftspläne haben Sie für Aesthetics?
Wir wollen nicht nur der führende, sondern auch der grösste Anbieter der integrativen Dermatologie und der plastischen Chirurgie in der Schweiz werden, durch das Credo «exzellente Medizin und menschliche Behandlung».
Wie möchten Sie das Unternehmen in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Jedes Unternehmen ist ein lebendiger Organismus und muss sich weiterentwickeln, sonst stirbt es. Gerne möchte ich Aesthetics mit einem Team aus leidenschaftlich für die Sache brennenden Menschen weiterentwickeln, begleitet von einem visionären langfristig orientierten Eigentümer.
Wie lautet Ihr Lieblingssatz für sich selbst als CEO?
Ein guter CEO arbeitet täglich daran, überflüssig zu sein.
Ihre grösste Lektion im Leben?
Die eigenen Grenzen erkannt zu haben.
Ihr schönstes Erlebnis?
Das Vertrauen geschenkt zu bekommen.
Wenn Sie etwas mit einem Fingerschnipp verändern könnten, was wäre das?
Dass wir Menschen unser Gegenüber ausreden lassen, ein grosses Herz und noch grössere Ohren haben.
Die Pallas Kliniken verfügen über 20 Standorte, von denen 7 zu Aesthetics gehören. Aesthetics Pallas Kliniken ist ein renommierter Anbieter von Dienstleistungen im Bereich Dermatologie, Venenheilkunde und ästhetischer Medizin/plastischer Chirurgie.