Schweizer Führungskräfte im Gespräch
«Servant Leadership»: Eine treibende Kraft hinter VERFORAs Erfolg und Vielfalt
Im Rahmen des Stettler CEO Talks gibt Stefan Wälti, CEO der VERFORA AG, Einblicke in die Führungskultur, die den Weg für das Wachstum und die Vielfalt des Unternehmens geebnet hat und spricht über die strategische Entwicklung der VERFORA AG.
Stefan Wälti, Sie sind seit rund 2.5 Jahren CEO der VERFORA AG, die zuletzt zahlreiche M&A-Aktivitäten wie die Übernahmen von Iromedica, Pharma Portfolio Dr. Wild, Spagyros, Cannaplant und Padma zu verzeichnen hatte. Welche strategischen Massnahmen haben Sie als CEO ergriffen, um das beeindruckende Wachstum von VERFORA in den letzten Jahren zu erreichen?
Beim organischen Wachstum fokussieren wir bereits seit Jahren auf unsere grossen Traditionsmarken wie zum Beispiel Algifor, Triofan, Perskindol, aber auch neuere Marken wie Veractiv. Dies bezieht sich sowohl auf Werbeinvestitionen als auch auf Produktinnovationen. Dieser konsequente Weg zahlt sich aus. Insbesondere bei den Produktinnovationen hat man einen Vorlauf von teilweise mehreren Jahren.
Der Markt ist immer noch sehr fragmentiert und wir halten weiter aktiv Ausschau nach interessanten Kaufobjekten, seien das Firmen oder Marken und pflegen entsprechende Kontakte. M&A-Aktivitäten werden meistens über längere Zeit vorbereitet bzw. sie ergeben sich teilweise durch mehrjährige Beziehungspflege. Hier hat auch mein Vorgänger, Thomas Szuran, einen grossen Anteil zum Erfolg der letzten Jahre beigetragen.
Zu einer erfolgreichen M&A-Strategie gehört es auch, dass wir die Mitarbeitenden der übernommenen Firmen wertschätzen und gut behandeln. Zudem unterstützen wir den Fachhandel stark und entwickeln so unsere Produkte gemeinsam weiter. Beides ist im Markt bekannt und wirkt vertrauensbildend.
Wie ist es VERFORA gelungen, in den letzten Jahren die Vertriebsrechte für starke Marken in der Schweiz zu übernehmen, wie beispielsweise Omni-Biotic, ThermaCare, Boiron, Mustela und Uriage, und welche Auswirkungen hatten diese Akquisitionen auf das Unternehmen und seine Positionierung am Markt?
Die genannten Vertriebsübernahmen sind sehr unterschiedlich zustande gekommen – wie bei M&A-Transaktionen über langjährige Kontakte oder wir wurden direkt angefragt oder haben Firmen selbst kontaktiert.
Die gennannten Marken stehen für drei Bereiche in unserem Portfolio: ThermaCare gehört zum OTC-Kern der VERFORA AG, Omni-Biotic und Boiron zum Bereich Komplementärmedizin und Mustela sowie Uriage zu VERFORA Beauty. Die Vertriebsübernahmen haben diese drei strategischen Säulen gestärkt. Insbesondere bei der Komplementärmedizin und im Beauty-Bereich haben wir dadurch stark an Breite, Gewicht und Glaubwürdigkeit im Markt gewonnen.
Welche Marktchancen sehen Sie im Bereich der Komplementärmedizin?
Die Chancen sehen wir in einer steigenden Nachfrage. Vor Corona wuchs die Komplementärmedizin, zu welcher wir auch die Phyto-Arzneimittel zählen, stärker als der klassische OTC-Bereich. Während Corona änderte sich das vorübergehend, aber wir erwarten eine Rückkehr des positiven Trends.
Wie beurteilen Sie die Reaktionen von Kunden und Geschäftspartnern auf die Einführung von Komplementärmedizin-Produkten in Ihrem Sortiment und welche Strategien verfolgen Sie, um das Bewusstsein und die Akzeptanz für diese Produkte weiter zu stärken?
Grundsätzlich sind die Reaktionen positiv, insbesondere seit wir eine gute Portfolio-Breite erreicht und die Komplementärmedizin in einem Kompetenzzentrum zusammengeführt haben. Es gibt wenig Firmen, die ein derart komplettes Portfolio im Bereich Komplementärmedizin anbieten können: Phytoarzneimittel und Urtinkturen, Tibetische Medizin, Probiotika, Spagyrik, Gemmotherapie, Schüssler-Salze, Homöopathie.
Unser Anliegen ist es, qualitativ hochwertige Produkte auf dem Markt anzubieten und aufzuzeigen, wie Komplementärmedizin sinnvoll angewendet werden kann. Das bedeutet, dass wir klar Abstand nehmen von Hokuspokus-Heilversprechungen, welche nicht eingehalten werden können.
Heute bieten wir ein umfangreiches Produktportfolio in den Bereichen Schul- und Komplementärmedizin an. Für uns zählt nicht «entweder oder», sondern vielmehr die individuelle Beratung für unsere Kundinnen und Kunden in den Apotheken und Drogerien, um ihre Bedürfnisse und Beschwerden optimal mit unseren Produkten abzudecken. Dies spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider, wo zunehmend Fachkräfte aus dem Bereich Komplementärmedizin Interesse an einer Anstellung bei uns zeigen.
Welche Zukunftspläne haben Sie für VERFORA?
Wir wollen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Dies bedeutet einerseits, durch Werbeinvestitionen und Produktinnovationen bei unseren grossen Marken zu wachsen und andererseits, durch weitere Vertriebsverträge und M&A-Aktivitäten unsere Präsenz zu erweitern und unsere Standbeine OTC, Komplementärmedizin sowie Beauty (Dermakosmetik) zu stärken. Daneben wollen wir auch das Arztgeschäft weiterentwickeln. Nicht zu vergessen ist auch unser internationales Geschäft mit unserer Tochter Dr. A.&L. Schmidgall in Österreich sowie dem Vertrieb von ausgesuchten Marken wie Perskindol, Anti-Brumm, Carmol oder Otalgan, welches wir über Distributoren ausbauen.
In Kurzvideos auf Ihrer Website vertreiben Ihre Produkte auf humorvolle Art und Weise sogenannten Quälgeister – von «Schnupfus Maximus», über den «Pollus Juckus» bis hin zum Quälgeist «Hustus Fiesus». Wie ist diese Werbekampagne angekommen?
Diese Werbekampagne ist bereits 2018 angelaufen. Sie ist super angekommen und tut es immer noch. Es gibt viele Fans unserer Quälgeister und sie haben uns dabei geholfen, die VERFORA und unsere Produkte bekannter zu machen.
Nun wird es darum gehen, die Kampagne weiterzuentwickeln, damit sie aktuell und interessant bleibt und sich nicht plötzlich selbst überlebt.
Welche Eigenschaften und Kompetenzen sind Ihnen besonders wichtig, wenn es darum geht, Mitarbeitende für Ihr Team auszuwählen?
Es sollten Menschen sein, die etwas bewegen wollen, welche umgänglich sind und im Sinne der Sache und des Teams agieren und ihr Ego zurückstellen können. Und klar: Je nach Position ist natürlich ein gut gefüllter Rucksack an Bildung und Erfahrung zu begrüssen. Etwas vom Wichtigsten ist jedoch, dass wir Menschen finden, die ihren Job mit Freude und Leidenschaft machen.
Auf welche Weise haben Ihre Erfahrungen dazu beigetragen, ein motiviertes und engagiertes Team aufzubauen, das gemeinsam an den Unternehmenszielen von VERFORA arbeitet?
Wir haben bei VERFORA bereits seit geraumer Zeit ein motiviertes und sehr engagiertes Team. Viele Mitarbeitende sind seit Langem dabei und haben eine intrinsische Motivation, die VERFORA voranzutreiben – das fasziniert und freut mich immer wieder.
Meine Hauptaufgabe besteht darin, den Mitarbeitenden ausreichend Freiraum innerhalb einer klar definierten Strategie zu geben und dafür zu sorgen, dass wir ein gutes, motivierendes und kollegiales Betriebsklima haben, in welchem sie gerne zur Arbeit kommen und etwas bewegen wollen. Zudem will ich für passende Rahmenbedingungen sorgen, indem wir regelmässig versuchen, unsere Prozesse und Arbeitsabläufe zu vereinfachen.
Angesichts der sich ständig verändernden Geschäftswelt und der Dynamik im Unternehmen – wie entwickeln Sie als CEO kontinuierlich Ihre eigenen Führungskompetenzen weiter, um den Anforderungen gerecht zu werden?
Das war die letzten Jahre alles sehr viel Weiterentwicklung «on the job». Wenn man die Akquisitionen, Integrationen, laufenden Transformationen, sei es digital oder bezüglich Führung im Sinne von «Servant Leadership» aufmerksam und aktiv mitmacht, dann kann man enorm viel dazulernen – das ist wertvoller als jedes Studium. Zudem haben wir bei der VERFORA und auch bei der Galenica eine grosse Breite an Erfahrungen, die man ausgezeichnet für gutes Sparring miteinander nutzen kann. Trotzdem will ich mir demnächst zu dem einen oder anderen Thema wieder einmal einen externen Input holen.
Wie gehen Sie als CEO damit um, dass verschiedene Führungskräfte unterschiedliche Führungsstile und -ansätze bevorzugen? Wie fördern Sie eine Kultur, in der diese Vielfalt an Führungskompetenzen effektiv genutzt wird?
Die VERFORA gehört zur Galenica-Gruppe und in dieser wird seit ein paar Jahren die Führungskultur des «Servant Leadership» stark gefördert und gefordert, was ich aus meiner persönlichen Sicht sehr begrüsse. «Servant Leadership» gibt innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen eine Kultur vor, welche Freiraum für verschiedene Ansätze bietet, sofern diese zum Ziel führen. Somit sind alle Ansätze willkommen, sofern sie im Kern den Servant-Leadership-Gedanken aufnehmen. Das heisst auch, dass bei mir eine Kultur des Kommandierens, des Mikromanagements und der Überwachung nicht geschätzt wird. Dort hört also die Freiheit auf.
Wenn Sie sich beschreiben würden, worin besteht Ihr grösstes Talent?
Was das Business angeht, wäre es interessant, diese Frage meinen Mitarbeitenden zu stellen.
Ich versuche möglichst fair und objektiv zu sein, mir eine eigene Meinung zu bilden, mich nicht manipulieren bzw. für etwas einspannen zu lassen.
Wie lautet Ihr Leitsatz als CEO?
Man sollte sich, insbesondere als CEO, nicht immer allzu wichtig nehmen und immer einen guten Schuss Humor und Selbstironie haben.
Ihre grösste Lektion im Leben?
Nicht die grösste Lektion, aber ein wichtiges Learning war, dass man mit zunehmender Verantwortung im Daily Business mehr loslassen muss und nicht mehr überall à jour sein kann. Gleichzeitig ist es wichtig, an einem Standort präsent zu sein, ein Kaffee-Gespräch zu führen, an ein Mittagessen zu gehen, ein offenes Ohr zu haben – Dinge, welche einem als Manager auf den ersten Blick nicht als besonders effektiv und effizient erscheinen, welche aber eine enorme Bedeutung haben und somit sehr gut investierte Zeit darstellen.
Ihr schönstes Erlebnis?
Es gibt zum Glück viele verschiedene schöne, beeindruckende Erlebnisse. Darunter eine 6-wöchige Reise mit meiner Partnerin durch einsame Gegenden von Chile und Argentinien im Winter 2018.
Wenn Sie etwas mit einem Fingerschnipp verändern könnten, was wäre das?
Die verschiedenen Missstände auf dem Planeten Erde beseitigen, mit Prio 1 das Stoppen des Ukraine-Krieges.